Etliche Jahre lang feilte Niklas Natt och Dag an seinem Debütroman „1793“. Das Ergebnis hätte auch in sprachlicher Hinsicht eindrucksvoller nicht sein können. Der schwedische Autor, der auch ein exzellenter Musiker ist, entstaubte nicht nur das Genre des Abenteuerromans. Er verquickte, angereichert mit vielen politischen Fakten, ein düsteres Zeit- und Sittengemälde mit einem Kriminalfall – eine perfekt gelungene Symbiose, die nun mit „1794“ ihre eindrucksvolle Fortsetzung findet.

Es schadet natürlich keineswegs, den ersten Teil zu kennen, denn einigen wichtigen Figuren hielt dieser großartige Geschichten- und Geschichtserzähler die Treue. Zu ihnen zählt auch der Kriegsveteran Cadell, der Licht in eine mörderische Betrugsgeschichte bringen soll. Aber all das bildet nur einen Teil der Handlung. Primär führt Natt och Dag (der Name bedeutet in der Übersetzung, durchaus passend, „Nacht und Tag“), Spross einer der ältesten schwedischen Adelsfamilien, vor Augen, welche Ausmaße die Dekadenz, die Korruption und die politischen Skandale und Intrigen annahmen.
Wobei dies, in der Zeit großer Umbrüche und gescheiterter Revolutionen, keineswegs nur für Schweden gilt. Clever und subtil stellt der 41-Jährige Bezüge her, bei denen diskret auch die europäische Gegenwart grüßen lässt.

Im Stockholmer Irrenhaus

„1794“ ist eine Reise in die Finsternis, durchaus vergleichbar mit Werken von Joseph Conrad und Herman Melville. Sie beginnt auf der kleinen Antillen-Insel Saint-Barthélemy, die unter schwedischem Besitz zu einem grauenhaften Zentrum des Sklavenhandels wurde. Die zweite Etappe dieser moralischen Höllenfahrt ist ein Stockholmer Irrenhaus. Erneut fasziniert dieses dämonische Werk durch die plastische, fast filmreife Erzählweise, die ebenso schonungslos wie drastisch ist.
Erbarmen oder Menschlichkeit sind Fremdwörter, Stockholm ist eine stinkende Kloake, in der Krankheiten wüten und ein Menschenleben weniger zählt als ein Glas mit billigstem Branntwein. Zeitkolorit eben, in seiner dunkelsten Variante, aber authentisch. Eine wichtige Rolle spielt deshalb auch der Baron und Staatsmann Gustaf Adolf Reutersholm, der heimliche Herrscher im morbiden Königreich, ein wahnwitziger Diktator, der Wirklichkeit entlehnt.

Harte Lesekost, zweifellos, fernab von konventionellen historischen Romanen, die doch auch der Hoffnung oder wenigstens einem Schimmer davon Platz einräumen. Dennoch lohnt es sich, einzutauchen in eine infernalische Welt, die zeitlich recht fern erscheinen mag. Aber mitunter kann der Schein ordentlich trügen.