Trotz seiner 93 Jahre und seiner Blindheit hat der am Mittwoch verstorbene italienische Autor Andrea Camilleri nie aufs Schreiben verzichtet. Wegen seiner Sehbehinderung diktierte er seine Romane einer Sekretärin. Für den 15. Juli plante er noch einen Theaterauftritt in den Ruinen der Thermen von Caracalla in Rom. "Autodifesa di Caino" (Kains Selbstverteidigung) lautet der Titel des Theaterstücks, das der am 6. September 1925 im sizilianischen Küstenort Porto Empedocle geborene Camilleri aufführen wollte. Dabei hätte er selbst als Schauspieler auftreten können.

"Könnte ich wählen, wie ich meine Karriere beenden will, würde ich am liebsten auf einem Platz Geschichten erzählen und am Schluss die Zuschauer um eine Münze bitten", erzählte Camilleri einmal. Erst mit fast 70 Jahren gelang dem Sizilianer mit seinen Krimis um den schrulligen und gutmütigen Kommissar Salvo Montalbano als Protagonist den Durchbruch. Mehr als 20 Bücher mit dem Kommissar hat Camilleri seitdem geschrieben. Dabei ergründete er stets die Tiefen der menschlichen Psyche, während die Idylle der sizilianischen Landschaft, die schrägen Kollegen des Commissario und die Sticheleien mit seiner Dauer-Verlobten Livia zu Merkmalen der Serie wurden.

Genau wie die originelle Sprache des Kommissars, der Italienisch mit vielen sizilianischen Ausdrücken vermischte. 2006 hatte Camilleri dem sizilianischen Verleger Sellerio den Montalbano-Roman mit dem Ende der Serie überreicht und gebeten, die Geschichte erst nach seinem Tod zu veröffentlichen. "Da ich die Alzheimer-Krankheit befürchte, habe ich schon jetzt beschlossen, das Ende der Geschichte zu schreiben. Sie wird erst nach meinem Tod veröffentlicht", erklärte der Autor damals. Mehr als 30 Millionen Exemplare der Montalbano-Krimis wurden in aller Welt verkauft, die Romane in Dutzende Sprachen übersetzt. Wochenlang beherrschten die Werke die italienischen Bestsellerlisten. Camilleri ist damit zu einem der reichsten italienischen Autoren geworden.

Mit seiner beliebten Romanfigur erlebte Camilleri auch im Fernsehen Erfolge. Immer wieder wurden TV-Serien nach einem der Bestseller vom staatlichen italienischen TV-Sender RAI produziert. Doch nicht immer war der verheiratete Vater von drei Töchtern und vierfache Großvater so erfolgreich. Lange führte er ein Leben im Schatten als unbekannter Lehrer und Drehbuchautor. 1942 begann der in Agrigent aufgewachsene Camilleri für Theater und Rundfunk als Regisseur zu arbeiten. Mit einer kurzen Unterbrechung unterrichtete er von 1958 bis 1970 an der römischen Filmakademie "Centro Sperimentale di Cinematografia". Von 1977 bis 1997 war er Professor an der Nationalakademie der Dramatischen Künste "Silvio D'Amico". Später arbeitete er vor allem als Theaterregisseur, TV-Produzent und Drehbuchautor, war an zahlreichen Krimiserien für das italienische Fernsehen beteiligt.

Sein erstes Werk "Il corso delle cose" ("Der Lauf der Dinge") wurde 1978 von 14 Verlagen abgelehnt. Danach veröffentlichte er bei einem kleinen lokalen Verlag historische Romane, jedoch ohne großen Erfolg. Im Jahr 1994 begann er die erfolgreiche Serie der Kriminalromane mit Commissario Montalbano als Protagonisten. Der Erfolg kam unerwartet, fast über Nacht mit seinem ersten Roman "La forma dell'acqua" ("Die Form des Wassers"). Das Erfolgsrezept der Krimi-Serie ist die Mischung aus tiefgründigen Handlungen, der Verwurzelung in Sizilien, der charismatischen Hauptfigur Montalbano und ein Hauch Gesellschaftskritik. Camilleri hat nie auf Kritik an der Politik verzichtet. So attackierte er zuletzt immer wieder den italienischen Innenminister Matteo Salvini wegen dessen Einwanderungspolitik.

Bestürzung im offiziellen Italien

Das offizielle Italien reagierte am Mittwoch bestürzt auf den Tod des Bestseller-Autors. Der italienische Kulturminister Alberto Bonisoli betonte, Camilleri hinterlasse eine große Leere in der italienischen Kultur. Er habe mit "Humor, Leichtigkeit und kritischem Geist" viele Italiener für die Literatur gewonnen.

Der Präsident des EU-Parlaments, David Sassoli, sprach von einem "großen Verlust für die Literaturwelt". "Worte, die die Wahrheit ausdrücken, haben eine ganz besondere Schwingung. Camilleri hat uns die Liebe für die Literatur geschenkt", twitterte Sassoli.

Der italienische Vizepremier Luigi Di Maio bezeichnete Camilleris Tod als "traurige Nachricht für Sizilien und Italien". "Sizilien verliert einen Sohn und Italien verliert einen Lebensmeister", kommentierte der Vizepremier und Chef der Regierungspartei "Fünf Sterne".

Auch der italienische Innenminister und Chef der rechten Lega, Matteo Salvini, den Camilleri öfters wegen seiner Einwanderungspolitik kritisiert hatte, würdigte den Schriftsteller als "unermüdlicher Erzähler seines Siziliens". Der Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, bezeichnete den Auto als "Meister von Kultur, Lebendigkeit und Humor".