Der eine ist Politiker mit dem nachhallenden Nimbus des mächtigen Landesfürsten, der andere ist Schriftsteller, Dramatiker und als sozialkritischer Geist bekannt: Erwin Pröll und Peter Turrini haben drei von Herbert Lackner in Radlbrunn, Weistrach und Kleinriedenthal moderierte und aufgezeichnete Gespräche geführt, die nun unter dem Titel "Zwei Lebenswege. Eine Debatte" in Buchform erscheinen.

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Sie zählen zwar zur gleichen Generation, kommen beide aus dem ländlichen Raum und haben scheinbar dennoch wenig gemeinsam. Doch der langjährige niederösterreichische Landeshauptmann Pröll (ÖVP) bewies in seiner Amtszeit immer schon große Affinität gerade zu links konnotierten Künstlern, die ihrerseits den angebotenen Dialog zu schätzen lernten. So wurden auch in diesem Fall aus einstigen Widersachern - Turrini und Pröll lagen zu "Alpensaga"-Zeiten in heftigem Clinch - geradezu beste Freunde jenseits aller ideologischen Gegnerschaft.

Idee zum Buch

Die Idee zu diesem Buch entstand laut Pröll bei einem Gedankenaustausch im Jahr 2016 anlässlich der Eröffnung einer Ausstellung über die 1970er-Jahre auf der Schallaburg. Turrini erkannte die Gefahr, die in diesem Debatten-Projekt verborgen liegt, und benennt sie auch: "Wenn man nur Schönfärberei gegenüber seinem eigenen Leben betreibt, ein paar Schwänke erzählt, nichts Schmerzhaftes formuliert, sondern solches vermeidet, dann wäre dieses Buch ein weiterer Beitrag zur Selbstdarstellungs- und Seitenblickegesellschaft, aus meiner Sicht also völlig unnötig."

Dass diese Gefahr zumindest über weite Passagen umschifft werden konnte, macht das Buch doch zu einem interessanten Dokument unterschiedlicher Erfahrungen des Heranwachsens. Erlebte Pröll die dörfliche Gemeinschaft mit ihren gelebten Traditionen als Hort der Geborgenheit, empfand sich Turrini stets als Außenseiter, und bei allzu verklärenden Darstellungen reagiert er nach wie vor höchst allergisch: "Wenn ich die Worte 'Heimatverbundenheit' und 'Brauchtum' höre, wird mir noch immer mulmig. Entschuldige, lieber Erwin!"

Erschütterungen versus Beständigkeit

Der "liebe Erwin" zeigt Verständnis und berichtet weiter von seinem Engagement für den Bauernstand, die beginnende politische Karriere, die Übernahme von Verantwortung in der Landesregierung. Zu dieser Zeit landet Turrini in der Psychiatrie, erholt sich nur langsam. Nicht erst seither interessieren ihn die "Erschütterungen und Abgründe" des Lebens mehr als die Funktionäre dieser Welt, die "vom Bauernbund bis zu kommunistischen Amtsträgern eine gefährliche Ähnlichkeit" hätten.

Und angesichts des geradlinigen Pröll'schen Aufstiegs platzt Turrini zwischendurch der Kragen: "Wenn man dir bei der Schilderung deiner politischen Biografie so zuhört, hat man das Gefühl, dass alles friedlich und natürlich aufwärts geht. Du erzählst dein politisches Leben, als wärst du immer der Begleiter der Hölle gewesen, aber nie ihr Entfacher. An welchen Schweinereien politischer Natur warst du beteiligt?" "Für den Hinterhalt war ich nie die richtige Adresse", entgegnet Pröll.

Machtvolle Position

Tacheles kommt indirekt auf, als Turrini von einem Gespräch berichtet, bei dem er die Frage gestellt habe, wie viele Leute man "umbringen" müsse, um eine so machtvolle Position zu erlangen. Prölls Antwort, so Turrini, habe gelautet: "Alle!" "In der Literatur vielleicht", kontert Pröll. Und trifft schließlich bei aller beabsichtigten Zurückhaltung, sich in aktuelle Tagespolitik einzuklinken, noch einige deutliche Ansagen in Richtung seiner Partei, der ÖVP: "Ich würde mir wünschen, dass das eine oder andere Mal nicht nur klarer gesprochen, sondern auch klarer entschieden wird, ohne sich vom Regierungspartner zu sehr in ein ideologisches Eck drängen zu lassen." Und es sei "äußerst problematisch, die Sozialpartnerschaft anzukränkeln", und auch, "arbeits- und integrationswillige Lehrlinge, die in Ausbildung sind, einfach abzuschieben".

Zwischen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und ihm habe es "schon Irritationen gegeben", unter anderem im Zusammenhang mit der Causa Udo Landbauer (FPÖ), berichtet Pröll: "Und da hat Sebastian Kurz offenbar gemeint, ich unterläge dem Kontrollmechanismus der Regierungsinformation. Aber das ist zwischen uns klargestellt: Es gibt nur eine einzige Instanz, die mich kontrolliert, und das ist mein Gewissen. Und das bleibt auch so." Nicht zuletzt darin sind sich der "liebe Erwin" und der "liebe Peter" einig. Auch wenn letzterer befürchtet, nach seinem Ableben nicht im Himmel, sondern in der Hölle zu landen.