Es kann eigentlich gar nicht anders sein. Irgendwann wird eine unsichtbare Hand ein Gestirn oder einen Leuchtkörper in den Nachthimmel hängen. Ganz gewiss wird er sich in der Nähe des Mondes befinden, noch ungewiss ist seine Beschaffenheit. Ein Lampion könnte es sein, der ganz nach Gutdünken wächst oder schrumpft. Setz wird er heißen. Der Rest wird sich weisen.
Vorerst lebt und schreibt Clemens J. Setz (36) in seiner irdischen Galaxie. Graz ist und bleibt das Zentrum, über den Rest ist rein gar nichts bekannt. Aber nach und nach füllt der Autor den unermesslichen Erzählraum mit seinen Geschichten, die allesamt einem Grundprinzip gehorchen: Das Gewohnte in ganz und gar Ungewöhnliches zu verwandeln, das ohnehin nur trügerische, anscheinend Vertraute ins Groteske, Absurde kippen zu lassen.

Traum und Albtraum

„Der Trost runder Dinge“ betitelt sich der neue Erzählband von Clemens J. Setz. 20 Geschichten umfasst der Band, aber der subtilste Seins-Fiktion-Forscher der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur tröstet niemanden mit Gemütlichkeiten, er übt, keineswegs schroff, Rache an den kaum aushaltbaren Zuständen der Welt. Wenn es denn eine Klammer für all die daraus resultierenden Entfremdungen gibt, dann sind es die – im Ton gelassener Beiläufigkeit – vollzogenen Realitätsverschiebungen.
Ein Dichter scheitert auch bei seinem neunten Versuch, zu einer Lesung nach Kanada zu fliegen, ständig wird der Flug verschoben, bei der Zollkontrolle weist der Autor einen Zwirn vor. Ein von Panikattacken geplagter Familienvater verbrennt Geldscheine, weil er sich davon kurzzeitige Linderung erhofft. Zeit und Raum existieren nicht in all den Traum- und Albtraum-Episoden, für die Setz den fabelhaften Namen „Netzhautkino“ prägte. Passend zu Short-Cuts, die nicht selten völlig abrupt enden.

Abgründig


Klar, Borges, Kafka, diesmal auch Arno Schmidt, sind Wegbegleiter, auch Ror Wolf könnte aus der Ferne grüßen. Monster treten auf, auch Außerirdische. Stets geht es an den Boden der Existenz, dorthin, wo sich das Andere, Abgründige auftut.
Im Kopf von Clemens J. Setz muss sich ein Verwandlungsapparat befinden, der, im schönsten Sinn, unentwegt spinnt und mit virtuoser Artistik Erzählfäden mit verblüffender Präzision völlig neu verwebt. Wer wissen will, was Poesie und Phantasie leisten können, der findet hier neue Maßstäbe, weit nach oben verschoben.

Lesetipp: Clemens J. Setz. Der Trost runder Dinge. Suhrkamp, 320 Seiten, 24,70 Euro