Zum Wesen herausragender Literatur zählt es ja, dass sich die Protagonisten nicht nur hartnäckig im Kopf einnisten, sondern auch lange nach Ende des Buches herumrumoren und keinerlei Bereitschaft zeigen, ihren Platz wieder zu räumen. Gut so. Der aktuelle diesbezügliche Neuzugang heißt Hero, er ist Afroamerikaner, züchtet in Dickens, einem Vorort von Los Angeles, Domizil der Latinos und Schwarzen, gerne Melonen und Marihuana. Und er ist einer der wortmächtigsten Zyniker, die in den vergangenen zehn Jahren in die Welt gesetzt wurden. Natürlich mithilfe seines geistigen Vaters, Paul Beatty. Der US-Autor war Schüler von Allan Ginsberg, er brillierte im Bereich der Slam Poetry und er stellt nun in „Der Verräter“ den Verunreinigten Staaten von Amerika den Totenschein aus.

Es ist ein Rundumschlag, zu dem Beatty ausholt, sprachlich virtuos, inhaltlich so zynisch, dass selbst Provokateure wie Michel Houellebecq oder Thomas Bernhard wie biedere Raunzer erscheinen. Dieser Mister Hero (der Name hat nichts Heldenhaftes, denn der Vater ließ im Geburtsschein lediglich ein „r“ entfernen ) räumt auf mit der geheuchelten Gleichberechtigung, er stampft Pseudomoral in Grund und Boden und verschont in seiner durch ungeheuerlichen sprachlichen Sound geprägten Suada auch Säulenheilige wie Martin Luther King nicht. Mehr noch: Er fordert die Wiedereinführung der Rassentrennung und der Sklaverei – als kleines Zeichen von Ehrlichkeit.

Eine zynische, enorm soghafte, häufig unbequeme Bestandsaufnahme, mit dem „Booker Prize“ ausgezeichnet. Das unbändige Furioso hat nur einen Makel. Es wurde verfasst vor Mister Trumps Amtsantritt und vor der #MeToo-Bewegung. Ein subversives Meisterwerk, man sollte es zweimal lesen.

Paul Beatty. Der Verräter. Luchterhand, 352 Seiten, 20,70 Euro.