"Die Ursache", den ersten Band der autobiografischen Romane von Thomas Bernhard, hat der 1988 in Innsbruck geborene Illustrator und Comiczeichner Lukas Kummer als Graphic Novel umgesetzt. Für die Schrecknisse des Internatsalltags, den Bernhard unter nationalsozialistischer Institutsleitung ebenso autoritär, bedrückend und geistesfeindlich erlebt wie unter späterer katholischer Führung, für den Terror und die Zerstörungen der Bombenangriffe auf Salzburg sowie für das Abweisende der Stadt und ihrer Architektur an sich hat Kummer eine strenge, eindrucksvolle Bildsprache gefunden.

Die Bedrohung des Individuums durch rigide Systeme und dumpfe Massen findet Ausdruck in der kerkerartigen Verengung von Räumen, in der grafischen Vervielfältigung einfacher Zeichen, in einer durch präzisen Strich dargestellten Ausweglosigkeit. Ob Bomben oder Regentropfen vom Himmel fallen, sie wirken ebenso bedrohlich wie die streng nach Reih und Glied angeordneten Kameraden in den Schlafsälen, die sich in Luftschutzkellern zusammendrängenden Schutzsuchenden, geschlichtete Särge von Bombenopfern oder gestapelte Zöglingsschuhe in der Schuhkammer.

Kummer, der in Kassel Illustration und Comic studierte, entwirft eine Welt in Schwarz und Grau und arbeitet mit genau abgegrenzten Licht- und Schattenstimmungen und kleinen, scheinbar beiläufigen Zeichen. "Der Nationalsozialismus hatte die gleiche verheerende Wirkung auf alle diese jungen Menschen gehabt wie jetzt der Katholizismus", heißt es in "Die Ursache". Kummer zeigt dazu zunächst eine aus einem Fenster hängende Hakenkreuzfahne. Im nächsten Bild ist die Fahne abgenommen, der Blick ist frei auf den zuvor verdeckten Kirchturm. Sonst ist alles gleich geblieben. Kongenial. (Thomas Bernhard / Lukas Kummer (Illustrationen): "Die Ursache, Eine Andeutung", Residenz Verlag, 112 Seiten, 22 Euro, ISBN: 9783701716937)

Auch in Moussa Kones Graphic Novel "Eine Naht aus Licht und Schwarz" besteht die Welt aus Schwarz und Weiß, hat die Architektur eine wesentliche Bedeutung, und gehorcht man einem strengen Konzept. Gegenstand und Grundidee sind jedoch gänzlich andere. Der 1978 in Scheibbs geborene Künstler hat 2004 bis 2007 als Aufseher in der Albertina gearbeitet und dabei zur Genüge die öffentlichen wie der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Räumlichkeiten des Museums studieren können. 176 Tuschezeichnungen von Moussa Kone treffen nun nach einem Konzept von Walter Pamminger auf ebenso viele Kurztexte von Bastian Schneider.

Diese lakonischen, kommentierenden, manchmal kontrastierenden Anmerkungen, in gleich großen Feldern wie die Zeichnungen stehend und ihnen auf jeweils einer Doppelseite in variierenden Mustern gegenübergestellt, sollen "176 Etappen einer nächtlichen Schlussrunde konstruieren, die einen Museumswärter durch die Räume eines Wiener Palais führt; ihn auf und hinter die Kulissen der Ausstellungsräume schauen lässt".

Dabei darf man einen Blick in ansonsten verborgene Räume und sogar auf den direktorialen Schreibtisch werfen, werden Architekturdetails herangezoomt oder einzelne Kunstwerke beleuchtet. Die sich daraus ergebenden möglichen Geschichten pendeln zwischen zwei Fragen: "Wer sucht dich hier?" und "Was suchst du hier?" Die Präsentation des Buches findet am 17. Oktober, wie könnte es anders sein, in der Albertina statt. (Moussa Kone, Bastian Schneider, Walter Pamminger: "Eine Naht aus Licht und Schwarz. Graphic Novel", Sonderzahl Verlag, 96 Seiten, 19.90 Euro, ISBN: 978-3-85449-496-6. Präsentation am 17.10., 18.30 Uhr, im Musensaal der Albertina.)

Dass Lukas Kummer und Moussa Kone in jenem "Comicland Österreich" nicht vorkommen, das Martin Reiterer in "Literatur und Kritik" vorstellt und analysiert, zeigt wie vielfältig die heimische Szene geworden ist. Neben einigen Beiträgen zur "Phänomenologie des Comics" sowie zu Geschichte und Gegenwart des Comic-Zeichnens in Österreich von Tobias Seicherl und seinem sprechenden Hund Struppi in den 1930er-Jahren bis zu den Austrian Superheroes von heute, gibt es Zeichnungen u.a. von Nicolas Mahler, Heinz Wolf, Ulli Lust, Regina Hofer, Thomas Fatzinek, Michaela Konrad und Leopold Maurer. ("Literatur und Kritik", Nr. 525/526, Otto Müller Verlag, 10 Euro)