In den ersten kratzigen Flanellanzug gezwängt steigt der kindliche Konzertbesucher zum ersten Mal die ausladende Treppe hinauf. Oben, wo durch trübes Glas Licht in das Foyer des Musikvereins in Graz fällt, thront ein finsterer Mann. Seine Haltung, sein Blick lassen keinen Zweifel, dass er den Ton angibt im Haus, dass sich seiner würdig erweisen muss, wer hier eintritt. Den Blick stolz über die wuselnden Menschen unter ihm auf ein unsichtbares, fernes Ziel gerichtet, die Locken in kühnem Schwung nach hinten gestreift, sitzt er auf seinem Thron, dessen Armlehnen Adlerköpfe zieren. Auf der Rücklehne windet sich, nackt an den Fels des Kaukasus gefesselt, Prometheus, der Titan, der die Menschheit mit dem Feuer beglückt hatte, wie es der Jupiter der Kunst mit seiner neuen, kühnen Musik tat, die alle Kategorien seiner Zeit sprengte.

Seit dem späten 19. Jahrhundert saßen und standen sie so, die Beethoven-Statuen in aller Welt. „Kraft über alles!“, schrieb Romain Rolland 1927 in seiner Beethoven-Biografie. „In ihm steckt avant la lettre etwas vom Übermenschen.“ Nichts mehr zeigt der steinerne Mann von der Not, der Verzweiflung, ja den Selbstmordgedanken, die im Heiligenstädter Testament des von Taubheit Geschlagenen zum Ausdruck kommen. Richard Kriesches Titelseite für unsere Jubiläumsausgabe zum 250. Geburtstag setzt den schwermütigen Text bewusst in blasser, kleiner Schrift als Kontrapunkt unter Schillers Jubelzeile aus der IX. Symphonie. Der wehmütige Klageton, den der Mann auf dem Thron weit hinter sich gelassen zu haben scheint, ist untrennbar verbunden mit seinem Leben und Werk.

Die Statue zeigt nichts mehr davon. Nichts erinnert an das „zyklopische“ Äußere, das Zeitgenossen dem Komponisten nachsagten, nichts an den „erschrecklich starken Bart, der ihm bis an die Augen ging“, nichts an die Nase, „viereckig, wie die eines Löwen“. All das ist klassischem Ebenmaß gewichen, das Interpreten auch dem Werk gerne aufzwingen, um das Schroffe, Fremde, Ungemütliche zu bändigen, das es auszeichnet.

„Eine harte, knorzige, narbige Frucht des Zeitalters, das Mirabeau, Danton und Napoleon hervorgebracht hat“, sei Beethoven gewesen, schreibt sein Verehrer Rolland und zitiert ihn selbst: „Kraft ist die Moral der Menschen, die sich vor anderen auszeichnen, und sie ist auch die meinige.“ Gut, dass der Mann Künstler werden durfte.