Liegestühle waren heiß begehrt im Garten des ORF, wo am Donnerstag zumindest ab und zu ein leichter Luftzug wehte. In der Scheinwerferhitze des (klimatisierten) Veranstaltungssaales griffen die Juroren zwar immer wieder zum Fächer, zeigten sich aber erfrischend diskussionsfreudig. Frauenpower am ersten Lesetag im Namen IngeborgBachmanns hielt alle bei Laune: Fünf Autorinnen erzählten von Frauen als Mütter und Großmütter, Weltretterinnen und Gespenstern zu Lebzeiten. Und das oft raffiniert gebaut und changierend an der Grenze zwischen Realität und Traum.

„Beim Lesen auf die Intuition vertrauen“, empfahl Jurorin Insa Wilke ihrer etwas ratlosen Kollegin Hildegard E. Keller angesichts des dystopischen Beitrags der Deutschen Katharina Schultens, die von Wilke vorgeschlagen worden war. Ihr Auszug aus dem „spekulativen“ Roman „Urmünder“ eröffnete den Lesereigen – eine glückliche Fügung, wie Juror Stefan Gmünder meinte, der in dem hermetischen, wie organisch wuchernden, poetischen Text eine Nähe zu Bachmann erkennen wollte, die „auch so oft gegen die Bleidecken der Realität angerannt ist“. In der Geschichte muss die Welt gerettet werden – durch eine Biologin, die das mit der Wissenschaft, nicht so wie Männer mit Krieg, schaffen will. Sieht Hubert Winkels die Lektüre als „Dechiffrieraufgabe ersten Ranges“, so lobt Klaus Kastberger: „In diesem Text ist alles perfekt, der braucht keinen Lektor!“

Durchaus auszeichnungswürdig scheint auch die Erste der sechs Österreicher, die heuer in den Ring steigen. Sarah Wipauer (eingeladen von Klaus Kastberger) entwirft in „Raumstation Hirschstetten“ ein „skurriles Setting“ rund um den Doppelselbstmord eines Paares Anfang des 20. Jahrhunderts in Wien und die Geschehnisse auf der Raumstation ISS rund 100 Jahre später: „Untote österreichische Blaublütler besetzen eine Raumstation“, fasst Juror Michael Wiederstein zusammen, „genial gemacht“, meint Stefan Gmünder, „hochspannend“ Hildegard E. Keller.

Die dritte im preiswürdigen Bunde ist die in Hamburg lebende, in St. Veit an der Glan geborene JuliaJost mit ihrem in Kärnten spielenden Text „Unweit vom Schakaltal“. Mit „rotzigem Ton“ (Keller), „leichtem Sarkasmus“ (Winkels) und „beschreibungsmächtig“ (Gmünder) erzählt sie darin von der Nazi-Vergangenheit eines Großvaters. „Kärnten-Klischees“ fand Wiederstein, eine Geschichte, die man nicht loswerden könne, Klaus Kastberger. Inse Wilke war hingegen vom „Faschismus, der in der österreichischen Literatur ja gerne aufgewärmt wird“, weniger begeistert.

Auch die Schweizerin AndreaGerstner traf auf nur geteilte Zustimmung. In der Geschichte „Das kann ich“ rund um eine „passiv aggressive“ Mutter und Schwiegermutter (Wilke) sah Hubert Winkels ein „Stephen-King-Setting“, das Nora Gomringer „zu unradikal“ war. „Also lieber Holzhammer“, lautete die Replik ihres Jurorkollegen KlausKastberger.

Damit sorgte er auch im Public-Viewing-Bereich im Lendhafen für Lacher. Hier verfolgten im Schatten der Bäume so viele Interessierte die Lesungen, dass die guten Geister des Landesstudios gleich mehrfach die Beitragstexte nachliefern mussten. Die findet man übrigens auch im Internet unter bachmannpreis.orf.at