Mit einer stimmig-nachdenklichen Mischung aus einer aufrüttelnden Eröffnungsrede von Maja Göpel und musikalischen Darbietungen von Sophia Kennedy und Milès Borghese wurde Mittwochabend die 18. Ausgabe des Elevate-Festivals, das an fünf Tagen stattfindet und aus einem breit gefächerten internationalen Musik-, Kunst- und Diskursprogramm besteht, im Grazer Lesliehof eröffnet.

Vorgestellt wurde in diesem Rahmen auch Irina Malis, die neue Diskurskuratorin des Festivals. Moderiert wurde der Abend vom Schauspieler, Kabarettisten, Satiriker und Radiomacher Hosea Ratschiller, der mit seinen launigen Fragen so manche Politikerrede ins Stocken brachte.

Hosea Ratschiller, Irina Malis und Bernhard Steirer
Hosea Ratschiller, Irina Malis und Bernhard Steirer © Christof Hütter

"Transition" ("Übergang", "Überleitung", "Wechsel") ist das Thema bzw. Motto des diesjährigen Festivals – und angesichts der weltpolitischen Lage ein ideales Wording. Veranstalter Bernhard Steirer: "Das spiegelt natürlich die derzeitigen Umbrüche und die Herausforderungen der Zeit gut wider. Wir rutschen langsam hinaus aus der Pandemie und hinein in ein Weltkriegsszenario." Versteckt präsent war die Pandemie auch optisch: An den Kunstblumen, die die Bühne zierten, hingen Corona-Testfläschchen.

Die deutsche Politökonomin Maja Göpel hielt die Eröffnungsrede
Die deutsche Politökonomin Maja Göpel hielt die Eröffnungsrede © Christof Hütter

Mit der Eröffnungsrednerin Maja Göpel wurde ebenfalls eine adäquate Wahl getroffen. Die deutsche Politökonomin ist Transformationsforscherin und Nachhaltigkeitsexpertin mit dem Schwerpunkt auf transdisziplinärem Denken. Und dazu forderte sie auch in ihrer inspirierten und nachdrücklichen Rede auf. Motto: Unser Fenster zur Zukunft steht so weit offen wie nie zuvor. Mit dieser Haltung sei Strukturwandel keine Zumutung, sondern eine Chance. Es sei an der Zeit, dass wir – jeder Einzelne von uns, aber auch die Gesellschaft als Ganzes – uns erlauben, neu zu denken, zu träumen und eine radikale Frage stellen: Wer wollen wir sein?

Milès Borghese lieferte ein düster-verspieltes DJ-Set
Milès Borghese lieferte ein düster-verspieltes DJ-Set © (c) Christof Hütter

Das musikalische Programm bestritten am Eröffnungsabend der deutsch-französische DJ und Produzent Milès Borghese, dessen Elektronik-Set von experimentell bis düster-verspielt reicht.

Publikum und Politprominenz bei der Elevate-Eröffnungsfeier im Lesliehof
Publikum und Politprominenz bei der Elevate-Eröffnungsfeier im Lesliehof © (c) Christof Hütter

Eklektisch, elektrisch, ekstatisch: So war das Eröffnungskonzert mit Sophia Kennedy

Es ist insbesondere in absagestarken Zeiten ein Festival-Luxus, wenn man eine Einspringerin in petto hat, die vielleicht sogar noch besser ist als der ursprünglich angekündigte Act. Sophia K. statt Sofia K. also. "Hallo, ich bin nicht Sofia Kourtesis, sondern Sophia Kennedy", begrüßt die in Hamburg lebende US-Musikerin das Publikum nach der Eröffnung im Lesliehof. Kennedy hat mit "Monsters" 2021 ihr zweites Album veröffentlicht, und es war eines der besten des Jahres.

Kennedys Musik steht für ausgefeilte, eklektische Electropopsongs mit vielen Ohrwurmpassagen, zugleich aber unglaublicher Tiefe und einem Hauch experimenteller Verschrobenheit. All das weiß sie auch auf der Bühne umzusetzen: Kennedy steht ganz in Weiß, mit einer mit Schlangen bedruckten Jeans, an Synthesizern und am Mikro, am Bass wird sie von der Hamburger Multi-Indielegende Mense Reents (Die Goldenen Zitronen, Stella, Die Regierung ...) begleitet, der einen lustigen bunten Schlapphut trägt. Kennedys Performance ist meist unaufgeregt und zurückhaltend, bisweilen aber theatralisch und ekstatisch, das Set wechselt zwischen Clubsounds und düsteren Balladen, Klavierpassagen, Retro-Synthie- und verzerrten Bass-Sounds, alles fest umarmt von Kennedys warmer Soul-Stimme. Ein schöner Auftakt-Abend, noch dazu bei perfektem Open-Air-Wetter.

Sophia Kennedy beeindruckte mit dunklem Kammer-Pop – begleitet von Mense Reents
Sophia Kennedy beeindruckte mit dunklem Kammer-Pop – begleitet von Mense Reents © Christof Hütter

Wegen Krankheit absagen musste übrigens auch die italienische Musikerin Caterina Barbieri, die heute im Dom im Berg ihren Auftritt gehabt hätte. Statt ihr kann man dort die norwegisch-mexikanische Künstlerin und Produzentin Carmen Villain live erleben. Ein weiteres Highlight des Musikprogramms ist heute die Uraufführung des Percussion-Stücks "Glop II" des heimischen Komponisten Gottfried Krienzer alias kauders. Mit von der Partie sind hier mehrere lokale Schlagzeuggrößen wie Rainer Binder-Krieglstein, Patrick Wurzwallner und Slobodan Kajkut.

Am Freitag stehen, ebenfalls im Lesliehof, Konzerte der Brit-Berlinerin Anika (die nicht von ungefähr gern mit Nico verglichen wird) sowie den Krautrock-Pionieren FaUSt an – mit Nummern aus dem wiederveröffentlichten Album Faust IV und viel Improvisation. In der Postgarage statt im Dom im Berg spielen die ukrainische Rapperin Alyona Alyona, Cid Rim und Catnapp.


Infos und alle Programmpunkte: elevate.at