15.25 Uhr: Damit endet der erste Tag der Lesungen:

15.22 Uhr: Wie ein alleinerziehender Vater über ebendieses Vatersein schreibt, wird auf Twitter genauso wie von der Jury diskutiert. Auch die von ihm gewählten Kindernamen sorgen für Skepsis.

15.05 Uhr: Den Diskussionsstart macht die Vorsitzende Wilke: "Der Text steht komplementär zu dem von Eva Sichelschmidt verstanden werden kann. Hier geht es jetzt um eine Geburt, das Zusammensetzen eines Lebens durch das Neuankommen eines Menschen." Mara Delius sagt: "Es gibt eine Fülle an Büchern, die sich mit dem Muttersein beschäftigen, es ist total interessant, dass es hier aus der Sicht des Vaters geschildert wird. Aber die kitschnahen Bilder sind unnötig."

Die Unbeschriebenheit des Kindes wird mehrfach kritisiert: "Ich habe den Text offenbar anders gelesen als Insa Wilke. Das Kind bleibt ungreifbar", meint Tingler. Vea Kaiser "Auch Männer können verzichten, es muss nicht immer die Frau tun. Wir brauchen solche Geschichten. Es ist eine große politische Bedeutung." Dass das Kind nicht beschrieben wird, liegt in ihren Augen daran, dass die Beziehung erst wachsen muss. "Ich finde es großartig, dass der Text auch diese Schwierigkeit abbildet."

Kastberger kritisiert die Wahl des Autors, dass der Protagonist ein Diskus-Werfer ist: "Ich glaube dem Text kein Wort." Vea Kaiser verteidigt den Text: "Ich bin begeistert, weil er eben von keiner Frau geschrieben wurde." Und Brigitte Schwens-Harrant sagt zu Kaiser: "Ich glaube nicht, dass es eine gute Kategorie ist zu sagen, mir gefällt ein Text, weil ihn ein Mann geschrieben hat. Unabhängig davon, ob es ein Mann geschrieben ist. Es ist ein konventionell geschriebener Text, nahe am Kitsch" Michael Wiederstein vergleicht Mosters Text ob des "Sich-Ziehens" mit der Passion Christi und damit, dass "man nach zehn Minuten hofft, dass er aufhört." Ihm ist aber auch bewusst: "Moster intendiert das. Er quält uns ja bewusst." 

15.00 Uhr: Und die Twitter-Gemeinschaft ist minder begeistert:

14.40 Uhr: Die Lesung von Andreas Moster, der auf Einladung von Vea Kaiser liest, macht den Abschluss des ersten Tages der deutschsprachigen Literatur. Das Vorstellungsvideo zeigt einen authentischen Familienvater. Danach beginnt er, "Der Silberriese" zu lesen. " Immer wieder erschien sie ihm so, als eine sich
abwendende Gestalt: im Bett, nachdem sie es sich besorgt hatten..." Ein Vater erzählt über das alleinerziehende Vaterdasein.

14.36 Uhr: Der Nachmittag startete mit größtenteils wohlwollenden Wortmeldungen und sanfter Kritik der Jury. Die Befürchtungen des "Zerreißens" des zuvor erwähnten Twitter-Nutzers trafen also nicht ganz so ein. Bulucz darf mit der Jury-Diskussion zufrieden sein. Kritik gab es aber für die Jury selbst:

14. 32 Uhr: Tingler weist noch einmal hin: "Dem Text fehlt die Befassung der Welt mit ihrer Wirklichkeit." Und erneut widerspricht Wilke: "Der Text ist absolut zugänglich und plausibel."

14.24 Uhr: Kleine Abwechslung in Form einer Wordcloud:

14.15 Uhr: Mara Delius startet: "Sehr gutes Beispiel, wie besonders und sprachgenau ein Autor arbeitet, dessen Muttersprache nicht Deutsch ist. Sprachlich, literarisch mit am interessantesten unter den heute vorgestellten Texten." Vea Kaiser fügt hinzu: "Der Text hat extrem von dem wunderbaren Vortrag profitiert", "Wie die Sprache eingesetzt wurde, hat mich sehr begeistert. Es war ein unglaublich präzises Spiel mit der Sprache." Und Klaus Kastberger bestätigt diese Aussage und ergänzt: "Ein Text, bei dem es sich lohnen würde, sich anzuschauen, welche Zeit- und Ortskonzepte dahinterstehen. Der Text geht an die Grundlagen der Narration."

Die Jury im ORF-Theater
Die Jury im ORF-Theater © GERD EGGENBERGER

Kritischer Hinweis von Tingler: "Es erschließt sich nicht immer, warum immer eine neue Ebene hinzukommt. Es gibt einen feinen Hauch von Konventionalität. Bestimmte Dinge wurden gar nicht mehr hinterfragt und daneben wurden es aber andere in ihrer Feinheit sehr wohl." Wilke aber sagt: "Man braucht etwas länger für diesen Text, vielleicht weil wir es gar nicht mehr gewöhnt sind, dass so geschrieben wird. Die sprachliche Gestaltung ist an sich ist schon die Erzählung."

14.13 Uhr: Jetzt wird es ernst: Aber wird Twitter-User "@rkrkrkrkrrk" recht behalten? Die Jury-Diskussionen zu Bulucz' Text  "Einige Landesgrenzen weiter östlich, von hier aus gesehen" beginnen.

Das Publikum lauscht entspannt
Das Publikum lauscht entspannt © Daniela Winkler

13.52 Uhr: Aufmerksames Mitlesen und synchrones Umblättern: Das Publikum ist auch nach der Mittagspause noch immer literaturbegeistert.

13.40 Uhr: Die Nachmittagslesungen beginnen mit Autor Alexandru Bulucz aus Rumänien. Es ist ein lyrischer Start bei seinem Vorstellungsvideo. Dann der Text: "Gott ist kein Zigeuner, aber auch kein Eisenbahner", liest er. "Die Welt braucht mehr Salieris und weniger Mozarts." Aber auch Monk, der Fernseh-Kriminalbeamte taucht in seinem Text auf. Und auf Twitter gibt es sogar sowas wie richtige Begeisterung - die hat sich bis jetzt ja in Grenzen gehalten:

Vierte Lesung: Alexandru Bulucz 

13.27 Uhr: Das wäre ja einmal etwas anderes. Der eine wird Schöffe, die andere Geschworene und die dritte Person einfach Jury-Mitglied beim Literatur-Wettbewerb:

Ein positiver Tweet für Zwischendurch:

13.25 Uhr: Die diesjährige Umhängetasche des Bachmannpreises könnte das neue Trend-Accessoire der Journalistinnen und Journalisten sowie Autorinnen und Autoren werden. Zu sehen sind derzeit jedenfalls sehr viele und das allgemeine Fazit lautet: "Die nutze ich sicher auch danach noch."

Die diesjährige Tasche - ein praktischer Begleiter, auch nach dem Wettlesen
Die diesjährige Tasche - ein praktischer Begleiter, auch nach dem Wettlesen © Daniela Winkler

13.00 Uhr: Mittagspause. Das bedeutet aber nicht, dass sich nichts tun. Das Publikum unterhält sich über die bereits gelesenen Texte, auch einige Diskussionen tun sich auf.

12.30 Uhr: Und nun die Wertung der Juroren: Vea Kaiser sieht den Text als "schonungslose Offenlegung der Unsicherheit dieses Mannes. Er ist unendlich deprimierend und das ist manchmal unglaublich gut." Danach hat die Jury begonnen, zig Querverweisen auf Literatur-, Religions- und Kunstgeschichte zu geben. Die Vorsitzende Insa Wilke erkennt in dem Text eine Aufgabe für die Rezipienten: "Er stellt in Frage: Was ist gut? Ist es gut, dass das Ich sich auflöst, dass es etwas Größeres gibt?"

Eingeladen wurde Engler von Philipp Tingler und dieser meint: "Es ist der humorvollste Text, den wir dieses Jahr hier haben. Er funktioniert perfekt für sich alleine." Und als Schlusssatz: "Das ist Literatur, meine Damen und Herren!"

12.20: Uhr: Zuerst die Twitter-Meinungen:

12.00 Uhr: Er will nicht mehr "nice" sagen, hat sich der dritte im Bunde vorgenommen. Leon Engler, der in Berlin und Wien lebt, liest "Liste der Dinge, die nicht so sind, wie sie sein sollten". Ein Auszug: "'Smile!', schreit der Penis." Er schafft es, das Publikum am Ende der ersten Vormittags-Session, immer wieder zum Lachen zu bringen. Liegt an dem Ich-Erzähler, der freiberuflicher Schauspieler und Nebenerwerbs-Model ist. Doch Twitter scheint verwirrt zu sein:

Die dritte Lesung: Leon Engler

12.10 Uhr: Zuerst auf Twitter gelesen, dann vor die Kamera geholt: Wolfgang Tischer vom literaturcafe.de sagt, was er denkt:

12.03 Uhr: Und nicht nur Twitter hat eine Meinung. Auch das Publikum vor Ort zeigt, was es denkt. Zwischen gelangweiltem Stöhnen, verhaltenes Lachen und aufmerksamem Durchblättern der Texte ist alles dabei. Und auch das Hin. und Herwandern zwischen Theater und Garten ist ein Thema: "Dass das Publikum entscheiden muss, ob es lieber die Jury live und die Autorinnen und Autoren auf Bildschirmen sieht - oder umgekehrt - ist keine gute Idee. Warum müssen sie dann überhaupt in Klagenfurt lesen, wenn sie sowieso nicht im gleichen Raum sind wie die Juroren?", fragt sich eine Zuseherin, die namentlich nicht genannt werden möchte, aber mittlerweile schon zwei Jahrzehnte des Bachmannpreises live miterlebt hat. 

Meinungen des Publikums

11.47: "Es war schön, und jetzt ist es vorbei." Mit diesen Worten endet ihr Text, immer wieder bricht der Autorin die Stimme, während sie die Sätze vorliest. Die Jury kommt zu Wort: "Ich finde, das ist ein wahnsinnig, wahnsinnig wichtiger und sehr gelungener Text zu einem sehr schwierigen Thema, dem Sterben", sagt Jurorin Vea Kaiser. "Schnörkellos, absolute Konzentration", sagt Kastberger. "Spannende Sache, mit ganz anderen formalen Mitteln als der erste Text." Und Klaus Kastberger sagt: "'Wunschloses Unglück' hat ähnlich wie dieser Text einen strengen formalen Ansatz."

Jurybewertung von Eva Sichelschmidts Text
Jurybewertung von Eva Sichelschmidts Text © Daniela Winkler

"Ich hatte immer das Gefühl, diese Person klingt seltsam hohl. Am Ende hat man kein konzises Bild von der Person und der Beziehung. Aber wenn es Methode hat, dass die Person hohl bleiben muss, passen auch die kalenderspruchartigen Metaphern", sagt Juror Michael Wiederstein.

Die zweite Autorin, die am Donnerstag liest, ist Eva Sichelschmidt. Sie lebt in Rom und Berlin und gibt ihren Text "Der Körper meiner Großmutter" wieder. Und auch hier wird ab dem ersten gelesenen Satz fleißig getwittert. 

Zweite Lesung: Eva Sichelschmidt

11.00 Uhr: Philipp Tingler kam 2020 neu in die Jury. Der Juror lebt in Zürich und mag es nicht kauzig, wie er sagt und erklärt: "Ich will auch nicht wie ein Depp behandelt werden, von einem Autor. Der ganze erweckt den Eindruck eines scherzenden, etwas ältlichen Verwandten mit vernünftigem Schuhwerk, der auf einer Familienfeier etwas erzählt, was man gar nicht hören will. Der Text ist so banal, dass ich mich nicht mal richtig darüber aufregen kann." Juror Michael Wiederstein meint: "Dieser Text hätte viel früher aufhören müssen."

Fazit nach der ersten Lesung:

"Ruhig und präzise gelesen", findet Jurymitglied Mara Delius. "Die Erzählung besticht durch die kuriose Schrägheit des Themas und nicht so sehr durch die Literarisierung durch den Autor."

"Ich liebe das Kauzige, das Abgehobene. Ich hasse den magischen Realismus", fasst es Klaus Kastberger, Professor für neuere deutschsprachige Literatur am Franz-Nabl-Institut der Universität Graz und Leiter des Literaturhauses Graz, zusammen. "Warum sagt er, dass er ein junger Schwarzer ist? Damit jeder 'Depp' es versteht. Das sagt viel über die Jetztzeit aus."

10.29 Uhr: Wolfgang Tischer, Gründer und Herausgeber des literaturcafe.de, hat sich bereits eine Meinung zur ersten Lesung gemacht:

Den Start der Lesungen macht der in den USA lebende Hannes Stein mit "Die königliche Republik". "Die erste Geheimbotschaft war in einem Glückskeks versteckt", mit diesen Worten beginnt er zu lesen. Einen Auszug aus dem Text können Sie hier nachlesen.

Erste Lesung: Hannes Stein

Um 10 Uhr haben heute, Donnerstag, die Lesungen von fünf Autorinnen und Autoren mit anschließender Jury-Diskussion begonnen. Die Moderation übernehmen Cécile Schortmann und Christian Ankowitsch. Und Schortmann stellt gleich zu Beginn die Frage in den Raum: "Ist die Diversität in der Literaturbranche da, oder noch nicht?" Die Antwort aber folgt noch nicht. 

Der Ablauf aber ist in diesem Jahr ein wenig anders. So lesen die 14 auf einer Literaturbühne im Garten und die Jury wird im Theater urteilen. Das Publikum kann dann zwischen den beiden Schauplätzen hin und her wandern. Eröffnet wurde der Bachmannpreis in diesem Jahr von der in Zagreb geborenen, österreichischen Schriftstellerin Anna Baar mit der Rede zur Literatur unter dem Titel "Die Wahrheit ist eine Zumutung".

Nach zwei digitalen Ausgaben finden die mittlerweile 46. Tage der deutschsprachigen Literatur 2022 heuer wieder vor Ort statt. Im Ringen um den mit 25.000 Euro dotierten Bachmann-Preis werden fünf Frauen und neun Männer teilnehmen. Die Autorinnen und Autoren selbst, die Jury und das Publikum können nun auch wieder alle gemeinsam im Garten des ORF sowie im ORF-Theater anwesend sein.

Hier der Apa-Liveticker zum Nachlesen: