'S gibt Ärger", sagte Bossy, und sprach jetzt ganz schnell, weil ihr Kopf fast platzte vor lauter Wissen, das rauswollte. Bossy ist ein kleines Mädchen, spielt mit den anderen Kindern auf der Straße und der Ärger, den sie altklug, aber hellsichtig meint, wird als "The Troubles" in die Geschichte eingehen.

Gemeint mit diesen "Schwierigkeiten" ist der Nordirland-Konflikt, in Wahrheit ein blutiger Bürgerkrieg, der von 1968 bis 1989 zwischen (englischen) Protestanten und (irischen) Katholiken tobte. Wie brüchig der Frieden sein kann, zeigen brisante Entwicklungen der letzten Zeit. Durch das Brexit-Abkommen und den Sieg der irisch-nationalistischen Sinn-Féin-Partei bei den letzten Parlamentswahlen ist das fragile Gleichgewicht erneut bedroht.

Aktuelle, realpolitische Rahmenbedingungen also für den Debütroman "Amellia" der Booker-Prize-Autorin Anna Burns, der im Original ("No Bones") bereits 2001 erschienen ist, aber jetzt erst auf Deutsch veröffentlicht wurde. Aus der Sicht der achtjährigen Amelia schildert Burns im ruhigen, aber oft schmerzhaft treffsicheren Ton die schleichenden Traumatisierungen durch Krieg, Gewalt und Grenzziehungen, die nicht nur Stadtteile betreffen, sondern auch Familienverbände.

Amelia – katholische Irin – sucht Schutz und Halt in ihrem Kinder-Kokon, sammelt Raupen und auf verwüsteten Straßen gefundene Gummigeschosse britischer Soldaten. Doch auch dieser Sicherheitswall ist einsturzgefährdet, alle verlieren in diesem Bruderkrieg ihre Unschuld.

Anna Burns ist in jenem Viertel in Belfast aufgewachsen, in dem dieser Roman spielt. Der Versuchung, eine platte Autofiktion aus ihrer Vita zu schnitzen, ist sie jedoch nicht erlegen. "Amelia" ist zwar aus autobiografischen Versatzstücken destilliert, aber dennoch reinster literarischer Stoff – erschütternd guter Stoff. Nicht so sehr die Kriegshandlungen selbst stehen im Zentrum, sondern das alltägliche Weiter- und Überleben inmitten einer permanenten Kulisse von Bedrohung, Tod, Bomben, Misstrauen und Perspektivenlosigkeit.

Zu Beginn des Buches ist Amelia acht Jahre alt, gegen Ende 33. "The Troubles" haben ihr gesamtes Leben geprägt. Amelia und ihre Freunde versuchen, dem Krieg zu entkommen. Das Problem: Auch nach dem Frieden tobt er weiter. Nicht draußen vor der Tür, sondern drinnen, in den Menschen.

© KK

Buchtipp: Anna Burns. Amelia. Tropen, 381 Seiten, 25,90 Euro.