In den kommenden Tagen will der designierte ORF-Generaldirektor Roland Weißmann sein vierköpfiges Direktorenkleeblatt dem Vernehmen nach aufgestellt haben. Wohl nicht ohne Zunicken der Grünen, die sich bei der Wahl des neuen ORF-Bosses der türkis-schwarzen Mehrheit im Stiftungsrat angeschlossen haben. Bei den zentralen Direktoren geht es um die Bereiche Programm, Technik, Finanzen und Radio.
Bei der Kaufmännischen Direktorin scheinen die Weichen schon gestellt zu sein: Eva Schindlauer, derzeit neben Peter Schöber Geschäftsführerin von ORF III, wird von Andreas Nadler die Finanzen übernehmen. Fehlt noch eine zweite Frau im Direktorenkleeblatt.

Eva Schindlauer, derzeit noch beim bedeutenden Spartensender ORF III, dürfte als Kaufmännische Direktorin fix gesetzt sein - da haben Türkis und  Grün auch keinen Gegenwind
Eva Schindlauer, derzeit noch beim bedeutenden Spartensender ORF III, dürfte als Kaufmännische Direktorin fix gesetzt sein - da haben Türkis und Grün auch keinen Gegenwind © ORF
Der nächste Radio-Direktor im ORF? Hannes Aigelsreiter hat gute Karten, aber was will Georg Spatt? Bei Ö 3 bleiben oder in den neuen Newsroom?
Der nächste Radio-Direktor im ORF? Hannes Aigelsreiter hat gute Karten, aber was will Georg Spatt? Bei Ö 3 bleiben oder in den neuen Newsroom? © ORF

Monika Eigensperger, die mit 1. Jänner 2017 neben ihrer Tätigkeit als FM4-Senderchefin auch die Funktion der ORF-Radiodirektorin übernahm, wird mit 1. Jänner 2022 aber wohl nicht von einer Frau „beerbt“. Man hört zwar immer wieder den Namen Gabi Waldner, derzeit Radio-Vizechefredakteurin. Die Kärntnerin wird aber auch gerne für eine Führungsposition im neuen multimedialen Newsroom auf dem Küniglberg genannt. Als neuer Radiodirektor hoch gehandelt wird Hannes Aigelsreiter, seit 2012 ORF-Radio-Chefredakteur; damals schon wurde der Niederösterreicher als ÖVP-Wunsch kolportiert, er verwahrt sich aber stets vehement gegen jegliche Einordnung.

Für die Technik gab es zwei Wunschkandidaten: Harald Kräuter, bürgerlicher Chef der ORF-Gebührentochter GIS und Matthias Settele, österreichischer Geschäftsführer der größten slowakischen Privat-TV-Gruppe (Markíza) und dem Vernehmen nach ein guter Bekannter von Bundeskanzler Sebastian Kurz. Settele dürfte aber schon abgewunken haben.

Für das ORF-Publikum freilich die sichtbarste und spürbarste Funktion liegt in der Programmdirektion. Der kurz ins Spiel gebrachte Ö-3-Chef Georg Spatt nahm sich angeblich selbst aus dem Rennen.
Die Grünen unter Stiftungsrat Lothar Lockl sollen sich ja beim Programm und bei den Finanzen ein Mitspracherecht gesichert und gleichzeitig den Wunsch nach „unabhängig, weiblich, kompetent“ postuliert haben. Bei ihrer Späher-Tätigkeit sind sie blindlings rudernd auf Puls-4-Chefin Stefanie Groiss-Horowitz gestoßen – offenbar ohne sich deren Hang zu Privat-TV-Formaten bewusst zu sein. Hat sich doch die 44-Jährige in ihrer zwei Jahrzehnte dauernden ORF-Tätigkeit etwa als Bürochefin von Programmdirektor Reinhard Scolik für den „Bachelor“ starkgemacht.

Der Einsatz dieses frauenfeindlichen Rosenverteilers-Formats im ORF-Programm 2003 führte nicht nur zu Beschwerden im Publikumsrat. Als Sendungsverantwortliche betreute Groiss dann auch andere RTL-Adaptionen für den ORF wie „Undercover Boss“. 2017 folgte der Wechsel zum Privatfernsehen – „als nächster logischer Schritt“, wie sie erklärte. Erfahrungen oder Vernetzungen in der fiktionalen TV-Branche fehlen ihr komplett, bei Puls 4 setzt sie u. a. auf "Echt witzig!?", "2 Minuten 2 Millionen" (als "Die Höhle der Löwen" auf VOX), „The Masked Singer Austria“ (parallel auf ProSieben und eigentlich weltweit ein Quotenrenner bis auf Österreich) und „Ninja Warrior Austria“ (im deutschsprachigen Raum produziert auch RTL das in Japan entsprungene Hindernisparcours-Format).

Was wird geschätzt und honoriert?

ORF-Programmhits der letzten Jahre wie die Landkrimis, „Die Toten von Salzburg“, andere (auch Nicht-Krimi-)Serien, „Universum History“ und etwa auch Korrespondentenreihen wie „Mein Kabul“, "Mein Beirut" oder "Mein Paris" sind aber keine Fließband-Produkte von heute auf morgen. Sie können nur durch eigene Kreativität und ein Vertrauensverhältnis mit öffentlich-rechtlichen Koproduktionspartnern wachsen. Bleibt die Frage: Fühlt man sich nur als guter neuer ORF-General, wenn man alle Direktoren des Vorgängers auswechselt? Und werden Erfolge und Erfahrung belohnt?

Hoffnung sollte sich daher die amtierende Programmdirektorin Kathrin Zechner als kreativer Wirbelwind (siehe ORF-Erfolge vorhin) machen dürfen, mit deren dynamischer Art sich aber manche Herren mit diplomatischem Hang zur Brise statt zum Sturm schwertun. 2013 setzte Zechner gegen interne Widerstände Conchita Wurst als unsere Song-Contest-Vertreterin 2014 durch. Eine Romy für die Austragung des ESC in Wien 2015 gehörte zum Lohn. International wurde zudem das TV-Drama "Das Wunder von Kärnten" mit einem Emmy honoriert; die Krimireihe "Vienna Blood" mit "Vorstadtmann" Juergen Maurer als Ermittler im Wien der Jahrhundertwende konnte ebenfalls weltweit verkauft werden.

Zu den verdienstreichen Kandidaten für die Programmdirektion zählt Alexander Hofer, Channelmanager von ORF 2, wo er angesichts der Quoten ein glückliches Händchen bewies. Unter ihm floss mehr Rot-Weiß-Rot ins Programm ein, damit konnte ORF 2 als größter Sender Österreichs der Privatkonkurrenz von Servus TV ein stärkeres, eigenes Heimatleuchten entgegensetzen. "Wir können als Landesstudios mit ihm  stets auf Augenhöhe arbeiten", hört man von den Landesdirektoren. Zumindest das Management von ORF 2 (Marktanteil 2020: 22 Prozent) und die Position als Unterhaltungschef (die sich durch "Dancing Stars" oder die Comedy- und Satire-Formate ohnehin auf ORF 1 ausweitet) wird Hofer behalten, sollte er nicht Direktor werden.

ORF-Vergangenheit, wo sie ihre Ehefrau kennenlernte: Stefanie Groiss-Horowitz
ORF-Vergangenheit, wo sie ihre Ehefrau kennenlernte: Stefanie Groiss-Horowitz © APA/PULS 4/MONI FELLNER