Gott ist ganz sicher ein Mann, denn wenn er eine Frau wäre, würde er zu uns sprechen“. Wann und wo fallen Ihnen solche Sätze ein?
DIETER NUHR: Bei dem Spruch kann ich mich nicht mehr genau erinnern, weil der ist locker 20 Jahre alt. Seither haben wir ja gelernt, dass zwischen Frauen und Männern gar keine Unterschiede bestehen. Insofern ist der Spruch etwas überholt.

Nicht alle Ihre Sager, etwa über Greta Thunberg oder die Coronamaßnahmen, sind bei Ihrem Publikum auf ungeteilte Zustimmung gestoßen. Manche halten Sie sogar für einen Corona- und Klimawandel-Leugner. Was sagen Sie denen?
Dass sie nicht richtig zugehört haben oder einfach Idioten sind. Es gab zum Beispiel eine Textstelle in meinem Programm, die hieß: „Die Virologen haben bei uns die Herrschaft übernommen.“ Dieser Satz kursiert im Internet. Aber der Satz ging weiter mit „Und das ist gut so!“ Ich bin auch alles andere als ein Klimawandel-Leugner.

Waren Sie nicht sogar Gründungsmitglied der Grünen?
Ja, war ich. Ich bin auch links aufgewachsen und sozialisiert worden. Aber wenn dann gesagt wird, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident ist verantwortlich für die Überschwemmungen im Land, weil er zu wenig gegen den Klimawandel getan hat, dann ist das ein Denken, das so viel zu kurz ist, dass es schon wieder lächerlich wird. Die Aufgabe von Satire ist, allzu einfaches Denken in Frage zu stellen. Und das ist natürlich für die, die allzu einfach denken, nicht leicht zu ertragen.

Neben Jan Böhmermann sind Sie vermutlich einer der am meisten angefeindeten Satiriker Deutschlands. Freut Sie das – frei nach dem Motto „Viel Feind, viel Ehr“ – oder wird das langsam anstrengend?
Beides und beides nicht. Dass das Ganze eine solche Relevanz bekommt, ist natürlich schön, andererseits auch anstrengend, weil man mit Menschen zu tun hat, die ständig beleidigt oder aggressiv sind. Das liegt mir gar nicht.

Gibt es für Sie Themen, bei denen Sie selber keinen Spaß verstehen?
Prinzipiell nein. Aber ich habe Geschmacksgrenzen, von denen ich hoffe, dass sie mit jenen meines Publikums übereinstimmen. Einer fühlt sich immer auf den Schlips getreten. Aber ich habe keinen Ehrgeiz, über Flutopfer Witze zu machen. Das sind Dinge, die haben mit Ethik zu tun. Da habe ich ganz sicher klare Grenzen.

Haben sich die Diskussionen um Ihre Person auf die Quoten Ihrer ARD-Sendung „Nuhr im Ersten“ ausgewirkt?
Wir haben da keinen signifikanten Sprung erlebt, weder in die eine noch in die andere Richtung. Es gibt seit Jahren Superquoten. In absoluten Zahlen sind das oft über zwei Millionen Zuseher.

Wie haben Sie die Antisemitismus-Vorwürfe gegen Ihre steirische Kollegin Lisa Eckhart erlebt?
Als völlig absurd. Jeder, der sie kennt, weiß, dass sie eine echte Künstlerin ist, dass sie mit Verstörung arbeitet. Einzelne Satzteile rauszugreifen und als ernst gemeinte These in den Raum zu stellen, ist völlig daneben. Jeder, der ihr genau zuhört, weiß, dass sie weder antisemitisch ist noch in irgendeiner Form rechts ist. Im Gegenteil: Sie hat eine unglaubliche Intelligenz in ihren Texten. Ich schätze sie außerordentlich und halte sie für die beste neue Kraft, die ich in den letzten 30 Jahren gesehen habe.

Der österreichische Philosoph Konrad Paul Liessmann hat einmal von der hemmungslosen Humorlosigkeit der heutigen Verbotskultur gesprochen. Hat die aus Ihrer Sicht zugenommen oder gab es die bisher nur verdeckter?
Das ist eine sehr gute Frage, über die ich schon viel nachgedacht habe. Verbote hat es immer gegeben. In meiner Jugendzeit herrschten andere als heute. Ich durfte nicht einmal mit meiner Freundin auf Urlaub fahren. Damals gab es noch einen Kuppelei-Paragrafen. Aber ich glaube schon, dass ein Verbotsdenken, das Nichtaushalten einer anderen Meinung, in den letzten zehn Jahren schlimmer geworden ist, nachdem wir davor ziemlich liberale Zeiten hatten.

Manche sehen in Ihnen einen Rebell gegen Political Correctness. Sind Sie das?
Ich verstehe mich als Vertreter der Vernunft und Besonnenheit. Was eigentlich ein Witz ist für einen Satiriker – dass jemand, der so etwas wie bürgerliche Mitte verkörpert, als rebellisch angesehen wird.

Als SOS-Kinderdorf-Botschafter kommen Sie viel herum. Wie würden Sie den aktuellen Zustand unserer Welt beschreiben?
Ich glaube, dass wir durch die Globalisierung in den letzten Jahrzehnten einen unfassbaren Aufschwung erlebt haben, einen Rückgang der weltweiten Armut von der Hälfte der Menschheit auf zehn Prozent. Und Corona reißt jetzt gerade alles ein. Der zweite Virus – Donald Trump – hat natürlich auch seinen Beitrag geleistet. Was sich da abzeichnet, ist für Milliarden von Menschen eine Katastrophe. Und auch der Klimawandel ist da mit einzuberechnen, weil Milliarden von Menschen, denen man den Wohlstand wegnimmt, werden sich das nicht gefallen lassen. Es ist eine sehr gefährliche Lage, in der sich die Welt nach Trump und Corona befindet.

Sie haben einmal gesagt, „Weitsprung ist wie das Leben: Man läuft und läuft bis zum Absprung und dann – wupp, geht‘s in die Grube“. Was haben Sie auf Ihren letzten Metern vor?
Die Frage ist natürlich ein totaler Affront, weil ich nicht vorhabe zu sterben. Ich habe beschlossen, das zu unterlassen. Und wenn es dann doch passiert, dann ist es auch egal, weil dann krieg ich’s eh nicht mehr mit.

Die Frage bezog sich eher auf die letzten Meter davor.
Ich mache jetzt mit meinen künstlerischen Arbeiten eine große Ausstellungstournee durch Deutschland und dann bis nach Senegal und St. Petersburg. Da freue ich mich schon sehr darauf. Und gleichzeitig hoffe ich wieder auf eine richtige Tournee durch Hallen und nicht nur an der frischen Luft. Ansonsten mache ich mir über Änderungen in meinem Leben nicht viel Gedanken. Ich mach jetzt einfach weiter, bis mir einer sagt: „Das macht jetzt keinen Sinn mehr mit Deiner Demenz!“