17 Jahre nach „Hader muss weg“ stehen Sie mit „Hader on Ice“ mit einem neuen Programm auf der Bühne. Warum hat das so lange gedauert?
JOSEF HADER: Ich habe nicht so lange gewartet, weil mir nichts eingefallen wäre, sondern weil ich einen Filmschwerpunkt setzen wollte. Es war nun reizvoll, weil sich die Zeit so geändert hat. Man hatte schon vor Corona das Gefühl, ein neues Zeitalter sei angebrochen. Ich wollte schauen, was mir dazu einfällt.

2004, bei Ihrer letzten Premiere, hieß der Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Es folgten ihm acht weitere. Wie beurteilen Sie 2021?
Im Grunde ist es so, dass nach eineinhalb Jahren Pandemie die wesentlichen Probleme nicht anders geworden sind. Dass die Menschen immer gespaltener werden, der Mittelstand immer weiter hinunterrutscht, die Reichen immer reicher werden und dass die Politik zerstritten ist – all das ist nicht neu. Nun kann man aber besser darauf schauen. Immer mehr Dinge, die wir gewohnt sind, zerbröseln. Und scheinbar gibt es niemanden, der das aufhalten möchte. Als ich noch in die Schule gegangen bin, war es für mich als Bauernkind kein Problem, die Matura zu machen und zu studieren. Heute wird Bildung wieder vererbt, so wie in den 1950er-Jahren.

Wer könnte oder müsste das aus Ihrer Sicht aufhalten?
Ich möchte keine Verschwörungstheorien in die Welt setzen. Aber es gibt sehr viele, die daran interessiert sind, dass alles so bleibt wie es ist. Dass das Vermögen möglichst ungleich verteilt ist. Ich nehme an, es sind nicht die Armen. Und ich stelle mir vor, dass sie eine ausreichende Lobby haben. Dass sich nichts zu ihren Ungunsten verändert. Es ist einfach so, dass es eine gewisse unkoordinierte Mehrheit von Egoisten gibt, die ihre Interessen durchsetzen.

Kommt Satire, Kunst und Kultur gerade jetzt die wichtige Aufgabe zu, diesen Egoismus aufzuzeigen?
Die Satire hat immer die Aufgabe, zu schauen, was nicht richtig rennt. Ganz ehrlich: Wahrscheinlich ist es heutzutage nicht wirklich anders als vor 20 oder 50 Jahren. Die Probleme sind dieselben, nur die Auswirkungen sind andere. Es hat auch damals Reiche gegeben, die egoistisch waren, aber die haben sich nicht so entfalten können wie heute. Es wäre selbst in Amerika vor 30 Jahren ein Riesenskandal gewesen, müssten die Reichsten null Steuern zahlen. Daran haben wir uns nur gewöhnt.

In der Innenpolitik begleiten uns Skandale seit einiger Zeit mit einer völligen Selbstverständlichkeit. Sind das gute Zeiten für einen Berufshumoristen?
Ich bin gar kein richtiger Berufshumorist, dafür mache ich zu selten ein Kabarett-Programm. Ich bin mehr ein Freizeit-Amateur-Kabarettist. Es gibt keine guten oder schlechten Zeiten fürs Kabarett. Die Hochphase des österreichischen Kabaretts war in den Zeiten der Wirtschaftswunderjahre. Heute sind es einzelne Menschen, die gutes oder schlechtes Kabarett machen.

Von Ibiza- bis Chat-Affäre: Erregen Sie die Skandale persönlich?
Es würde mich sehr erregen, wenn ich diese Politiker gewählt hätte. Aber ich habe sie nicht gewählt, insofern bin ich zwar nicht erfreut, sondern teilweise abgestoßen, aber nicht erregt.

Kann der Egoismus so wuchern, weil es an Solidarität fehlt?
Solidarität fehlt immer, weil es immer Egoisten gibt. Die Frage ist, wie viele Möglichkeiten haben die Egoisten derzeit, sich zu entfalten – aktuell sehr gute. Eine Idee war es, den Egoismus zu begrenzen: Dass jene, die viel Geld verdienen, auch ausreichend Steuern zahlen. Eine andere, dass die Bildung ein wichtiges Instrument ist. Man sollte diese umverteilen, dass sie nicht an das Einkommen gebunden ist. All diese Ideen, erfunden nach dem Zweiten Weltkrieg, sind ein bisschen aus der Mode gekommen. Vielleicht kommen sie ja wieder in Mode.

Sind Sie optimistisch?
Ich bin irgendwie gelassen. Ich denke mir, ich möchte nicht eine dieser älteren Herrschaften werden, die sagen, wir leben in einer furchtbaren Zeit und alles wird immer schlimmer. Gleichzeitig möchte ich auch nicht in Optimismus ausbrechen, das ist für einen Satiriker auch keine geeignete Haltung. Ich schaue, was kommt.

Ihr Programm handelt auch vom Älterwerden. Fällt es Ihnen im Alter leichter, gelassen zu sein.
Es ist eine Selbstwahrnehmung – ich kann mich täuschen – aber ich habe das Gefühl, dass mir das Älterwerden leichtfällt.

Warum?
Weil ich nie richtig jung war. Ich war ein weltfremder Jugendlicher, nie am Puls der Zeit. Ich war immer schon ein schrulliger Typ. Daher kann das Alter bei mir nicht viel anrichten.

Werden einem im Alter mehr Schrullen erlaubt?
Ich bin auch schon als Jugendlicher für meine Schrullen gelobt worden. In der Unterstufe war ich der Komische. Hat man sich die Rolle einmal angewöhnt, nimmt man sie im Alter gar nicht mehr als besonders wahr.

Haben Sie den Applaus vom Publikum vermisst?
Das ist nichts, was man vermisst. Man vermisst, jemandem etwas vorzuspielen. Das mache ich einfach gerne. Ich stehe gerne auf einer Bühne und ich liebe die Herausforderung, zwei Stunden etwas für andere zu machen. Der Applaus selbst ist eher immer so eine Peinlichkeit, die man über sich ergehen lässt. Ich kann das nie so gescheit genießen. Irgendwas stimmt da nicht mit mir.

"Ich dulde bei mir in der Garderobe keine Wurstplatte": Josef Hader
"Ich dulde bei mir in der Garderobe keine Wurstplatte": Josef Hader © APA/ROLAND SCHLAGER

Wie geht’s Ihnen mit dem Tourleben? Manuel Rubey hat einmal gesagt, er habe Angst vor der traurigen Wurstplatte.
Ich dulde bei mir in der Garderobe keine Wurstplatten, weil sie beim Umziehen auch immer im Weg sind und die Kleidung fettig wird. Wenn es halbwegs dosiert ist, mag ich das Herumfahren sehr gerne. Ein bisschen ist es mir in den letzten eineinhalb Jahren schon abgegangen.

Zurück zur Krise. Welche der offen gelegten Wunden müssten zuerst angegangen werden?
In einem Matura-Aufsatz würde ich jetzt schreiben, dass es schön wäre, wenn man aus der Coronakrise lernt, dass man sehr viel verändern kann, wenn man will und dass man das auch auf die Klimakrise anwenden kann. Aber nachdem ich keinen Matura-Aufsatz schreibe, bin ich nicht ganz so hoffnungsfroh.

Das Filmemachen werden Sie nicht aufgeben, denn das nächste Projekt scharrt schon in den Startlöchern. Der Arbeitstitel für Ihre zweite Regiearbeit nach „Wilde Maus“ lautet „Andrea lässt sich scheiden“. Haben Sie eigentlich mehr Respekt vor Ihrem zweiten Film als Regisseur?
Insofern, als dass ich mir denke: „Wie habe ich das bloß gemacht?“ Ich habe wieder denselben Respekt wie beim ersten Film. Ich habe nicht das Gefühl, mehr zu wissen. Dafür habe ich zu spät mit dem Geschäft angefangen. Es ist immer ein großes Abenteuer und trotzdem sollte man es machen. Ich glaube daran, dass man sich ein bisschen fordern und daran wachsen sollte – ohne zu scheitern. Aber das weiß man im Vorhinein nie.

Nächstes Jahr werden Sie 60. Beeinflusst Sie das irgendwie?
Das hat mich schon die letzten Jahre beeindruckt. Inzwischen beeindruckt es mich nicht mehr. Ich stelle es mir eher so drei bis vier Jahre vorher vor und sobald es eintritt, ist es schon gegessen.

Wird es wieder 17 Jahre bis zum nächsten Programm dauern?
Nein, jetzt muss ich ein bisschen Gas geben und früher ein neues machen, fürchte ich, denn sonst wird das ein sehr hinfälliges Programm.