Sie haben uns durch diese Pandemie und diverse Lockdowns gebracht: Filme im Heimkino, gestreamte Theaterabende, Opernübertragungen im Fernsehen, aufregende literarische Kopfreisen, Konzerte aus leeren Häusern und Wohnzimmern, Binge-Watching beim Streamingdienst des Vertrauens sowie virtuelle Museumsbesuche von New York bis Tasmanien.

Die Kultur lenkte uns ab, ließ uns wegträumen, unterhielt uns und ihre ProtagonistInnen reagierte in atemberaubendem Tempo auf die Krise: technisch und künstlerisch. Kultur ist aber mehr als Seelennahrung, Eskapismus, Augen- und Ohrenaufsperrer, identitätsstiftendes Merkmal oder eine der wunderschönsten, sinnlichsten Seiten des Lebens. Kultur lukriert, schafft Leistung. Nicht nur fürs Publikum. Sondern für die Wirtschaft. Sie ist Kulturwirtschaft.

Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung konstatiert dem Kultursektor in der Studie "Ökonomische Bedeutung der Kulturwirtschaft und ihre Betroffenheit in der COVID-19-Krise" insgesamt eine Wertschöpfung von 7,2 Milliarden Euro, erwirtschaftet von rund 119.000 Beschäftigten. Rechnet man nebst direkter Wertschöpfung noch die indirekten Effekte hinzu, ergibt das laut WIFO 9,8 Milliarden Euro und rund 150.000 Beschäftigungsverhältnisse. Das entspricht rund drei Prozent der gesamten österreichischen Wertschöpfung. Was fehlende Kulturveranstaltungen für den Tourismus bedeuten, wurde für jeden spürbar, der im Pandemiefrühling 2020 einmal durch die ausgestorbene Wiener Innenstadt ging.

Ökonomisches Schwergewicht

Mehr noch: Ende 2019, also vor der Covid-Krise, war die Kultur- und Kreativwirtschaft innerhalb der Europäischen Union ein Schwergewicht: Sie produzierte 643 Milliarden Euro Umsatz und 253 Milliarden Euro Wertschöpfung. Das durchschnittliche Bruttoinlandsprodukt innerhalb der 28 EU-Staaten betrug 4,4 Prozent. Damit ist der wirtschaftliche Beitrag der Kultur- und Kreativwirtschaft tatsächlich größer als u.a. jener der Telekommunikations-, High-Tech-, Pharma- oder Automobilindustrie. Auf die Beschäftigungszahlen umgelegt bedeutet das: 7,6 Millionen Beschäftigten im kulturellen sowie kreativen Bereich, 10,7 Millionen Beschäftigte im Tourismus, 2,6 Millionen Beschäftigte in der Automobilbranche oder 0,9 Millionen in der Telekommunikation.

Und dennoch: Im letzten krisengebeutelten Jahr war in der öffentlichen Debatte nie von der Kultur als Wirtschaftsleistung die Rede. Ging es um Unternehmen, die Wirtschaft und ihre Betroffenheit in der Pandemie, war von Branchen wie Gastronomie, Hotellerie, der Automobilindustrie, dem Maschinenbau und vielen anderen die Rede. Zuerst die Wirtschaft wieder hochfahren, dann die Kultur - lautete lange Zeit die Devise. Statistisch betrachtet ein Fehlschluss.

Auf 1,5 bis 2 Milliarden Euro schätzte die WIFO-Studie die ökonomischen Schäden in der heimischen Kulturwirtschaft im Zusammenhang mit der Covid-19-Krise im vorigen Sommer. Tatsächlich schrumpften Kultur-, Unterhaltungs- und persönliche Dienstleistungen laut WIFO im Vorjahr um minus 19,6 Prozent. Betroffen sind von diesen Einschnitten rund 150.000 selbstständig und unselbstständig Beschäftigte. Und das könnte langfristige Auswirkungen haben. Denn: Während in der Gesamtwirtschaft (ohne Land- und Forstwirtschaft) nur 9,4 Prozent selbstständig tätig sind, beläuft sich dieser Wert im Kultursektor auf rund 27 Prozent, im Bereich der Bildenden Künste sogar auf rund 75 Prozent. Die unbezahlte Selbstausbeutung noch nicht eingerechnet.