Nach im Frühjahr 2019 publik gewordenen Misshandlungsvorwürfen gegen die Ballettakademie an der Wiener Staatsoper wird am 20. Mai am Landesgericht St. Pölten gegen einen ehemaligen Ballettlehrer verhandelt. Das gab Gerichtssprecherin Andrea Humer am Mittwoch auf APA-Anfrage bekannt. Der Mann - ihm wurde seitens der Staatsoper gekündigt - soll einen im Tatzeitpunkt 16-jährigen Schüler aufgefordert haben, an ihm geschlechtliche Handlungen vorzunehmen.

Die Anklage lautet auf Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses (§ 212 StGB), verhandelt wird nicht in Wien, weil sich die inkriminierte Handlung im Sprengel des Landesgerichts St. Pölten zugetragen haben soll, wie Humer erläuterte. Die Anklage beziehe sich auf eine "einmalige Handlung" und sei losgelöst vom Faktenkomplex zu betrachten, der von der Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft sowie einer vom damaligen Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) eingesetzten Sonderkommission untersucht wurde.

Systemische Gewalt

Dabei hatte sich bestätigt, dass Schülerinnen und Schüler der Ballettakademie von Teilen des Lehrpersonals gedemütigt wurden und systematisch Gewalt und Drill ausgesetzt waren. Die Staatsanwaltschaft Wien leitete gegen insgesamt drei Lehrende - zwei Frauen und den nun in St. Pölten vor Gericht gestellten männlichen Kollegen - strafrechtliche Ermittlungen ein. Wie Nina Bussek, die Sprecherin der Wiener Anklagebehörde, gegenüber der APA erklärte, sind die Ermittlungsverfahren gegen die Lehrerinnen wegen fortgesetzter Gewaltausübung (§ 107b StGB) und Quälens Unmündiger bzw. Minderjähriger (§ 92 StGB) noch im Laufen. Vornehmlich eine von der Staatsoper inzwischen entlassene Ballettlehrerin dürfte im Unterricht Kinder, die teilweise erst elf Jahre alt waren, rüde behandelt, gekratzt, getreten und verbal gedemütigt haben. Auch eine rigide Gewichtskontrolle soll von ihr verfolgt worden sein.

Bezüglich der nach St. Pölten delegierten Hauptverhandlung gegen den früheren Ballettlehrer hat es laut Gerichtssprecherin Humer bereits einen ersten Verhandlungstermin gegeben. In der kommenden Woche soll der betroffene Ex-Schüler als Zeuge befragt werden, wobei er im Weg einer Videokonferenz einvernommen wird. Während der Befragung dürfte aus Opferschutzgründen die Öffentlichkeit von der Verhandlung ausgeschlossen werden.