Der Protagonist der Geschichte wurde "gegen Ende der Bremsjahre geboren, als die Rotation der Erde zum Stillstand kam". Das ist der Ausgangspunkt der Kurzgeschichte "Die wandernde Erde" des chinesischen Autors Cixin Liu: eine Erzählung vom Aufbruch der Menschen zu den Sternen. Das Raumschiff ist dabei die Erde selbst, die angetrieben von gigantischen Triebwerken nach Proxima Centauri aufbricht, um dort eine neue Sonne zu umkreisen. Denn die Lebenszeit der Heimatsonne neigt sich dem Ende zu.

Cixin Liu gilt als einer der großen Stars der internationalen Science-Fiction, selbst der ehemalige Präsident der USA, Barack Obama, outete sich als Fan seiner "Trisolaris"-Romane. Liu, der vor seinem literarischen Durchbruch als Computertechniker in einem Kraftwerk arbeitete, schrieb mit "Die wandernde Erde" eine stark auf das Technische fokussierte Hard-Science-Fiction: Isaac Asimov (1920 bis 1992) oder Arthur C. Clarke (1917 bis 2008) haben herausragende Werke dieser Genre-Gattung geschrieben. Wobei Lius Frühwerk von 2000 weder erzählerisch noch atmosphärisch an Asimovs "Foundation"-Trilogie oder Clarkes "2001: A Space Odyssey" heranreicht. Im Splitter-Verlag erscheint Ende April eine Graphic-Novel-Adaption von "Die wandernde Erde", sie bildet den Auftakt einer 15 Bände umspannenden Ausgabe.

Der Protagonist der Erzählung erlebt die Erde als feindliche Welt
Der Protagonist der Erzählung erlebt die Erde als feindliche Welt © Splitter-Verlag/ Cixin Liu

Die Graphic Novel leistet das, was der Kurzgeschichte durchaus fehlt: emotionale Nähe. Wenn der Protagonist (anfangs noch ein junger Bursche) durch "eine endlose Mauer aus blauem Licht" mit offenem Mund die in den Himmel ragenden Erd-Triebwerke bestaunt oder Liebe und Trauer in den Gesichtern der Figuren sichtbar werden. "Die wandernde Erde" ist eine höchst dramatische Geschichte, in der die Menschen ihr angestammtes Sonnensystem verlassen und alles hinter sich lassen – auch die Liebsten. Maximilian Schlegel vom Splitter-Verlag ist sich dessen bewusst: "Die Geschichte ist ein absurdes Gedankenexperiment", sagt Schlegel, der auch die Adaption von Christophe Bec (Text) und Stefano Raffaele (Zeichnungen) aus dem Englischen übersetzte. Es gehe dem Autor auch nicht um Figuren, Emotionen oder zwischenmenschliche Beziehungen: "Das ist nicht, was Cixin Liu interessiert." Die Bildersprache der Graphic Novel zieht den Leser in diese ferne Zukunft, die unser eigenes Ende vorwegnimmt: Auch unsere Sonne wird einmal so heiß strahlen, dass kein Leben mehr auf dem Blauen Planeten möglich sein wird. Die Zeichnungen von Raffaele sind großartig, vor allem auf den Altarfalzen kommt die enorme Wucht dieses Science-Fiction-Comics zur Geltung: Darunter versteht man ausklappbare Seiten. "Wir haben bisher 15.000 Bücher herausgegeben, Altarfalze aber kaum bei zehn davon gemacht", erklärt Schlegel. Nach "Die wandernde Erde" erscheinen "Yuanyuans Blasen" und "Meer der Träume".

"Die wandernde Erde" erscheint Ende April
"Die wandernde Erde" erscheint Ende April © Splitter-Verlag/ Cixin Liu