November 2017, The Disciples Of Soul befinden sich auf Englandtour. Bandleader Steven Van Zandt (70) wird aus Amerika eingeflogen und schafft es gerade noch für fünf Minuten zum Soundcheck. "Jemand hat gemunkelt, dass Paul McCartney unser Konzert besuchen könnte", erinnerte sich Van Zandt im APA-Interview. "Ich dachte: 'Oh Gott, wir müssen irgendwas vorbereiten, falls er auf die Bühne kommen will." Das tat der Ex-Beatle tatsächlich - nachzuhören auf dem Livealbum "Macca To Mecca".

"Am Vorabend des Konzerts bin ich noch für Martin Scorsese vor der Kamera gestanden", erzählte Van Zandt, auch als Little Steven und Gitarrist der E-Street-Band bekannt. "Ich hatte eine Cameo-Rolle in 'The Irishman' absolviert." Also ging es direkt vom Set nach Großbritannien, wo der heute 70-Jährige in aller Schnelle "I Saw Her Standing" umarrangierte - "im Stil von Little Richard", so Van Zandt. "Paul kam auf die Bühne und wir jammten, ohne dass wir geprobt hätten. Das war ein Höhepunkt meiner Karriere."

"Macca To Mecca" enthält diesen denkwürdigen Moment im Londoner Roundhouse, aber auch einen kompletten Auftritt der "Souljünger" an einem anderen legendären Ort: "Der Jam mit McCartney versetzte mich in Beatles-Stimmung", sagte Van Zandt. "Als wir nach Liverpool kamen, erinnerte ich mich, dass die Beatles zu Beginn ihrer Karriere etwas sehr Eigenartiges machten: Sie spielten Lunchtime Sets. Sie traten mittags im Cavern Club auf und musizierten, während Angestellte, Geschäftsinhaber und Sekretärinnen aus der Umgebung dort ihr mitgebrachtes Mittagsessen einnahmen. Ich ließ beim Club anfragen, ob wir dort ein Lunchtime Set spielen dürfen."

Im Cavern Club

Diese Tradition ist längst Vergangenheit, aber natürlich wurde Little Stevens Wunsch nicht abgeschlagen. Dann verblüffte der Gitarrist ein zweites Mal die Betreiber des (mittlerweile neuen) Cavern Clubs: "Es gibt dort zwei Räume - einen Nachbau des alten Clubs, lang und schmal mit Bögen, und einen geräumigeren Saal. Sie dachten, ich würde im großen spielen wollen, weil das bekannte Bands tun und ich außerdem eine Gruppe von 15 Musikern anführte. Nein, ich musste einfach im Originalraum spielen. Die Rhythmussektion nahm auf der kleinen Bühne ihren Platz ein, die Sängerinnen und die Bläser platzierten wir in einem Gang - wir konnten sie während des gesamten Auftritts nicht sehen", lachte Van Zandt.

"Wir spielten die Hälfte des Sets Beatles-Songs mit Bläsern und eine Hälfte mit Liedern, die die Beatles während ihrer Cavern-Zeit gecovert haben. Mann, hatten wir viel Spaß!" Für den Bandleader war es eine Verneigung vor seinen Helden: "Die Beatles sind die wichtigste Band überhaupt. Man kann ihre Songs Hunderte Male gehört haben und glauben, dass man sie sehr gut kennt. Aber man weiß die Beatles erst wirklich zu schätzen, wenn man ihre Lieder selbst gespielt hat. Vor den Beatles gab es nichts Vergleichbares. Eine Band, die ihre eigenen Songs schrieb und wie eine Gang wirkte, das war eine neue Idee, die mich packte. Das hat mein Leben komplett verändert und nicht nur meines."

Am Showbusiness per se sei er gar nicht interessiert gewesen, betonte Van Zandt. "Ich wollte bloß in einer Band spielen, die aus Freunden besteht." Das scheint ihm gelungen zu sein, ob es sich nun um die E-Street-Band oder seine Disciples Of Soul handelt. "Nun, ich möchte das Leben jeden Tag genießen. Ich brauch kein Drama. Ich habe nie danach getrachtet, mein Ego in den Vordergrund zu stellen, und mich immer für Menschen entschieden, mit denen ich nicht nur musikalisch gut kann. Die persönliche Ebene ist für mich so wichtig wie das Talent."

"Macca To Mecca" gibt es als CD/DVD-Version und in einer Vier-CD-Box Neuauflage des Albums "Soulfire Live!". Im Juni lässt Little Steven einen weiteren Mitschnitt ("Summer Of Sorcery Tour") folgen. Und er arbeitet an einer Biografie. "Darüber unterhalten wir uns ein anderes Mal", lachte er in Manhattan ins Telefon. Über seine Einflüsse machte er dagegen keine Geheimnisse: "Die British Invasion war alles für uns - George Harrison, Keith Richards, Pete Townshend. Es folgten die Yardbirds mit ihren drei großartigen Lead-Gitarristen Eric Clapton, Jeff Beck und Jimmy Page. Dann kam Jimi Hendrix und fegte alle weg. Er war der größte aller Gitarristen. Aber über die Jahre gesehen hat Jeff Beck ein außergewöhnlich hohes Level an Innovation und Können gehalten. Ich nenne ihn immer meinen Lieblingsgitarristen."