Seit 3. November sind die Kinos wie die Theater und Opernhäuser wieder zu. Wie geht es Ihnen mit der aktuellen Situation?
BARBARA BRUNNER: Im Moment können wir einfach nicht Kino machen, das ist völlig unplanbar. Wann wir wieder aufsperren dürfen und unter welchen Umständen, bleibt abzuwarten.


Wie lautet Ihre Bilanz fürs Jahr 2020, in dem Sie zunächst bis Mitte März, dann von Mitte Juni bis Anfang November offen hatten?
Der Rückblick auf 2020 – mit einem Besucherrückgang von 69 Prozent – ist heftig. Das war nicht aufgrund der Schließzeit, sondern auch durch die Maßnahmen wie Schachbrettmuster im Saal bedingt. Und andererseits sind die Zahlen dann speziell im Herbst zurückgegangen, als sich die Corona-Situation wieder verschärft hat.


Wie viele Filme schafften es im Vorjahr auf Ihre Leinwand?
Wir haben im Vorjahr 168 Filme gezeigt. Das ist gar nicht so schlecht, wenn man es mit einem normalen Jahr vergleicht. Da zeigen wir rund 240 Filme.


Wie war für Sie die Zeit im Sommer und Herbst, als die Kinos wieder aufsperren durften?
Im Nachhinein betrachtet haben wir diese Zeit sehr positiv erlebt. Die Leute haben sich sehr gefreut, dass sie wieder ins Kino gehen dürfen und dass es gute, interessante Filme gibt. Auch die Premieren und Sonderveranstaltungen in dieser Zeit waren wirklich gut besucht – auch im Verhältnis zu Nicht-Corona-Zeiten. Zu sehen, dass wir den Leuten abgehen, hat uns Mut und Optimismus für die Zukunft gegeben.


Wie viel davon ist noch vorhanden? Wie schauen Sie auf 2021?
Der Ausblick macht mir Sorgen, weil anzunehmen ist, dass auch dieses Jahr sehr schwierig werden wird. Es wird noch dauern, bis der Kinobetrieb wieder so möglich sein wird, wie wir ihn kennen, schätzen und dieser auch wirtschaftlich halbwegs zu stemmen sein wird.
Können Sie aktuell irgendetwas planen oder nur abwarten?
Eigentlich kann man im Moment keinen Plan machen, weil sich die Filmstarts ständig ändern. Man weiß nicht, was man in einem Monat konkret zeigen könnte. Normalerweise arbeiten wir KinobetreiberInnen eng mit den FilmverleiherInnen zusammen und dann entwirft man einen groben Plan und macht sein Programm.


Haben Sie die Zeit im Lockdown anders genutzt?
Kino gehört ins Kino. Wir haben einige Pläne und Ideen für die Zukunft und Konzepte für eine neue Filmreihe. Ansonsten haben wir viel Energie ins Gebäude gesteckt, sehr viel renoviert, geputzt und ausgemalt. All das, was sonst in einem normalen Kinobetrieb nicht möglich gewesen wäre.


Angenommen, Kinos dürften Anfang März wieder aufsperren: Mangelt es Ihnen dann an Filmen oder gibt es eher einen Rückstau?
Es könnte sein, dass Ähnliches wie nach dem ersten Lockdown passiert: Damals gab es viele Filme, die man gar nicht alle ins Programm nehmen konnte, obwohl sie wichtig gewesen wären. Alle wollen einen guten Starttermin für ihren Film haben – und man hat ja nicht eine unbegrenzte Zahl an Kinosälen, die man bespielen kann.

Die Kinochefin in ihrem leeren Saal
Die Kinochefin in ihrem leeren Saal © Juergen Fuchs

Vor Lockdown Nummer zwei sind sehr viele sehr gute Filme noch angelaufen. Werden Sie diese wiederaufnehmen oder ist das Kinofenster, in dem Sie Filme zeigen dürfen, dann abgelaufen?
Grundsätzlich planen wir, sie wieder aufzunehmen. Vielleicht zeigen wir sie nicht gleich. Es warten so viele neue Filme aufs Publikum, die im Herbst durch den Rost gefallen sind. Wir werden versuchen, eine Balance zu finden.


Sie sind das einzige Kino in Graz, in dem man neben Arthouse-Filmen auch Blockbuster im Original sehen kann. Was würde es bedeuten, wenn der neue „James Bond“-Film, der für Ende März programmiert ist, auf einem Streamingdienst landen würde?
Das würden wir sehr stark spüren. Als wir vom Augartenkino hierher ins Royal English Cinema umgezogen sind, haben wir die Tradition der beiden Kinos zusammengeführt. Durch die Filme im englischen Original sprechen wir vermehrt auch das junge Publikum an – hier fehlt das Angebot. Das haben wir im Vorjahr gesehen. Es ist nur teilweise möglich, sie für europäische Arthouse-Filme ins Kino zu bewegen.


Haben Sie schon Ausfallsentschädigungen erhalten?
Im Vorjahr haben die Unterstützungen, die wir bekommen haben, gut gewirkt. Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen. Es gab Kurzarbeit sowie den Umsatzersatz.

Und für 2021?
Die IG Programmkino fordert einen Rettungsschirm für alle Kinos. Die Regierung hat jüngst die Verlängerung der Maßnahmen für die Kultur angekündigt. Wir haben noch nichts Konkretes gehört. Wir benötigen auf jeden Fall weitere Hilfen, da wir mit einer längeren Durststrecke für die gesamte Branche rechnen.


Die Angst vorm Kinosterben trifft nicht nur die kleinen Programmkinos, sondern auch die großen Ketten. Ist die Branche näher zusammengerückt?
Diese Krise hat alle gleich stark getroffen, auch die Großen, und ich erlebe es auch so, dass wir vielleicht näher zusammengerückt sind. Die ganze Branche wird es schwer haben, nicht nur die KinobetreiberInnen, auch die FilmverleiherInnen. Kino wurde schon oft totgesagt, auch in letzter Zeit geistert das durch die Medien. Um die Zukunft des Kinos machen wir uns grundsätzlich keine Sorgen. Das gemeinsame Kinoerlebnis ist vielen Menschen ein wichtiges Bedürfnis, es fehlt. Kino ist höchst lebendig.