2020 war ein durchwachsenes Kinojahr: erster Lockdown, zögerliches Aufsperren drei Monate später, volles Sommerprogramm. Danach legten die ersten großen Ketten an diversen Standorten Schließtage ein, sperrten auch einzelne Lichtspielhäuser wie das Grazer Annenhofkino zu. Danach fehlten die Blockbuster, bevor die Kinos im Herbst wieder aufsperrten - bis zum nächsten Lockdown. Hinzu kommen abgesagte oder ins Netz ausgewanderte Filmfestivals und viele Arbeiten, die noch nicht auf Leinwand zu sehen waren, andere wiederum wurden gleich online zugänglich. Dennoch: Ein kleines Best of der Filmredaktion.

The Trouble With Being Born

Sandra Wollners Zweitlingswerk „The Trouble With Being Born“ ist eine Leinwandwucht: Verstörend und großartig in seiner Abgründigkeit und Ambivalenz. Und die drei Hauptdarsteller*innen Lena Watson, Dominik Warta und Ingrid Burkhard sind fantastisch. Noch war der vielfach prämierte Film erst auf Festivals zu sehen, im ersten Quartal 2021 soll der Film der gebürtigen Steirerin aber endlich das Leinwandlicht erblicken.

Uncut Gems

Josh & Benny Safdies Netflix-Werk "Uncut Gems", auf Deutsch "Der schwarze Diamant". Ein Film wie eine Drogenerfahrung. Und man fasst es kaum: Der irre Juwelentandler ist wirklich Adam Sandler?

The 40 Year Old Version

Radha Blanks "The 40 Year Old Version": New Yorker Theaterautorin mit unbefriedigendem Karriereverlauf und knospender Midlife-Crisis versucht sich als Rapperin, Sehr witzig. Auf Netflix streambar.

Never Rarely Sometimes Always

Eliza Hittmans "Never Rarely Sometimes Always" wurde bei der Berlinale mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet: Kraftvolles Drama über das Recht auf Abtreibung, das mit Nüchternheit statt emotionaler Zuspitzung punktet. Startete erst Ende Oktober im Kino, kommt also wieder.

Liebe war es nie

Maya Sarfatys Dokumentarfilm "Liebe war es nie": Ein erschütterndes und zugleich berührendes Filmdokument über eine außergewöhnliche Liebe. Exklusiv im Kino.

Die Dohnal

Sabine Derflinger brachte mit "Die Dohnal" endlich eine Doku über die feministische Visionärin auf die Leinwand: Entlarvend, bissig und humorvoll skizziert der Film die Geschichte von Österreichs erster Frauenministerin mit herrlichem Archivmaterial und auch, was sich seit damals nicht verändert hat. Im Kino VOD Club leihen.

Mank

David Finchers "Mank": Visuell betörender Ausflug ins Hollywood der 1930er und 40er, wo die Traumfabrik Klassiker wie "Citizen Kane" aber auch Fake News produzierte. Herrlich beißende Schwarz-Weiß-Reminiszenz und Hommage an Drehbuchautor und Lebemann Herman Jacob Mankiewicz, furios verkörpert von Gary Oldman. Auf Netflix.

Undine

Christian Petzolds gelang mit "Undine" einer der schönsten Liebesfilme des Kinojahres: Paula Beer und Franz Rogowski brillieren darstellerisch und in einer der tollsten intellektuellsten Sexszenen, die das Kino bisweilen gesehen hat. Petzold spielt mit Symbolen, die zum mythologischen Undine-Stoff passen. Leihen auf iTunes, Amazon, etc.

Waren einmal Revoluzzer

Johanna Moders zweiter Spielfilm "Waren einmal Revoluzzer" (im Kino VOD Club) ist eine feinsinnige, tragikomische und so schonungslose Abrechnung mit der eigenen Blase, dass man manchmal im Kinosaal nicht wusste, ob man lachen, weinen oder den Kopf in den Sand stecken soll. Herausragende Ensemble-Leistung mit Manuel Rubey, Julia Jentsch, Marcel Mohab und Aenne Schwarz.

Nomadland

Chloé Zhaos „Nomadland“: Der kleinste anzunehmende US-Film, eine wunderbare Mischung aus One-Woman Roadmovie-Story und solidarisch-dokumentarischer Erkundung, eine Americana-Liebeserklärung der chinesischen Wahl-Amerikanerin Cloé Zhao und ihrer Produzentin und Hauptdarstellerin Frances McDormand. Der Film hat mit dem Gewinn des Goldenen Löwen von Venedig ganz alleine alle globalen Konkurrenten in die Schranken verwiesen und wieder einmal gezeigt, dass viele Vorurteile gegen das US-Kino schlicht falsch sind. Kommt erst 2021 ins Kino.

Born in Evin

Maryam Zarees „Born in Evin“: Eine Reise in die eigene Familien-Vergangenheit der deutschen Tatort-Schauspielerin Maryam Zaree, die trotz Geschichten aus dem Foltergefängnis der iranischen Regime-Fanatiker und Exil-Traumata insgesamt erstaunlich leicht gestaltet ist. Leihen im Kino VOD Club.

The Assistant

Kitty Greens "The Assistant" war für viele der Film der Stunde in diesem seltsamen Jahr: Die Regisseurin zeigt den Arbeitstag einer jungen Frau im Vorzimmer eines Filmmoguls. Ganz klar, wer gemeint ist. Aber auch, was gemeint ist. 90 Minuten filmischer Kommentar zu Weinstein und #MeToo. Leihen auf Amazon, iTunes.