Wenn Jack Nicholson in Stanley Kubricks Horrorfilm "Shining" den Verstand verliert und er von Dämonen getrieben seine Frau attackiert, dann passiert das zu Musik von Krzysztof Penderecki. Der Regisseur Kubrick hat, ähnlich wie Kollege William Friedkin bei "Der Exorzist", erkannt, dass Pendereckis bis zum Zerbersten mit Spannung aufgeladene Klänge einer unheilschwangeren, von Aggression und Wahnsinn beherrschten Atmosphäre ideal entsprechen.

Dabei erschöpft sich die Genialität von Pendereckis nervenzerfetzenden, frühen Werken nicht in Schockeffekten und illustrativen Elementen. Mit seinen Orchesterwerken wie "Anaklasis" (1960), "Polymorphia" (1961) und "Threnos" (1961) hat er die Musik der Nachkriegs-Avantgarde genial fortgesponnen. Wie die meisten Avantgardisten dieser Phase kommt der 1933 im polnischen Debica geborene Komponist aus der Tradition von Anton Webern und Pierre Boulez. Doch Penderecki hat dieser strengen Schule neue Dimensionen erschlossen. Mit Mikrotönen, dem Auskosten extremer Höhen, speziellen Spieltechniken, der Einbindung von Geräuschen, bis zu riesigen Blöcken geschichteter Clusterklängen hat er das Ausdrucksspektrum und die Klangvielfalt der Neuen Musik enorm erweitert.

Seine Musik reflektiert in mancher Hinsicht den Horror des Kalten Krieges und das durch die permanente atomare Bedrohung gespeisten Gefühl des Untergangs. Nicht von ungefähr hat er "Threnos" den Opfern von Hiroshima gewidmet. Und doch knüpft er schon im Frühwerk an die "romantische Tradition" an. "Polymorphia" endet mit einem C-Dur-Akkord, während das "Stabat Mater" (1962) in D-Dur ausklingt. Lezteres integrierte Penderecki 1966 in die "Lukas-Passion", dem Werk, das ihn zum weltweiten Durchbruch verhalf.Der international gefeierte Starkomponist reüssierte auch auf der Opernbühne ("Die Teufel von Loudon", 1969 und die die 1986 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführte "Die schwarze Maske"), und doch wurde er zusehends kritisiert. Einstige Mitstreiter werteten Pendereckis Zuwendung zu immer traditionelleren Ausdrucksformen als Verrat, während andere ihn des ständigen Selbstplagiats bezichtigten.

In den späten Jahren fand Penderecki zu einer Polystilistik, die ihn nocheinmal einen Popularitätschub verlieh. Er arbeitete mit Johnny Greenwood von Radiohead zusammen, und ging eine fruchtbringende künstlerische Allianz mit Geigerin Anne-Sophie Mutter ein. Mit Graz und der Steiermark verband ihn viel: durch das "musikprotokoll" im steirischen herbst sowie durch den Musikverein für Steiermark, der Penderecki in den letzten Jahren mehrfach einlud und ihm auch die Ehrenmitgliedschaft verlieh.

Das polnische Kulturministerium würdigte Penderecki auf Twitter als "einen der größten polnischen Musiker" und "weltweite Autorität auf dem Gebiet der Klassischen Musik". Demnach starb er nach "langer, schwerer Krankheit".

Reaktionen

Der Tod des Komponisten Krzysztof Penderecki ist am Sonntag auch von der Wiener Staatsoper und den Salzburger Festspielen betrauert worden. "Leider konnte das letzte gemeinsame Projekt, die für die Spielzeit 2018/2019 geplante Uraufführung der Oper Phaedra, nicht realisiert werden, da der Komponist zu seinem großen Bedauern um Entbindung aus der Vereinbarung bitten musste", schrieb die Staatsoper.

Zwei Werke des vielseitigen Künstlers wurden jedoch im Haus am Ring aufgeführt, hieß es in der Aussendung: "Die Teufel von Loudon" (1973, im Rahmen eines Gastspiels der Staatsoper Stuttgart) sowie "Die Schwarze Maske" (1986, in Koproduktion mit den Salzburger Festspielen). Das Wiener Staatsballett (damals noch Staatsopernballett) tanzte 2000 im Wiener Odeon zu einem seiner Stücke im Rahmen des Abends Junge Choreographen II.

"Einer der ganz Großen der europäischen Musikgeschichte ist tot", drückte die Salzburger Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler ihre Trauer um den Tod von Penderecki in einer Pressemitteilung aus. "Wir sprechen seiner Frau Elzbieta unser tief empfundenes Mitgefühl aus. Sie war im Leben und im Beruf ideale Partnerin und hat ihn auch zu seinem letzten Besuch nach Salzburg 2018 begleitet."

"Krzysztof Penderecki und sein Werk waren wichtig für die Salzburger Festspiele und die Festspiele für ihn und seine internationale Anerkennung als Komponist. Mit der Uraufführung 'Die schwarze Maske' 1986 gelang eine Sternstunde der Musikgeschichte, darin waren sich Kritik und Publikum einig", betonte Intendant Markus Hinterhäuser die herausragende Bedeutung des Verstorbenen.