Die Künstler-Plattform "art but fair" hat in der Causa Gustav Kuhn in einem Offenen Brief an den Stiftungsvorstand der Festspiele Erl den Rücktritt von Kulturlandesrätin Beate Palfrader (ÖVP) und Festspielpräsident Hans Peter Haselsteiner gefordert. Der Vorstand habe seine Verantwortung nicht ernst genommen, hieß es. Zudem sei es "abgründig", dass eine öffentliche Entschuldigung verweigert wird.

Der Stiftungsvorstand - bestehend aus Stiftung Erl-Inhaber Haselsteiner, Kulturlandesrätin Palfrader für das Land Tirol und Jürgen Meindl, Leiter der Kunst- und Kultursektion im Bundeskanzleramt - habe nach Bekanntwerden der Vorwürfe des sexuellen Belästigung im Vorjahr "weder 'wesentliche Schritte gesetzt' noch haben Sie Ihre 'Verantwortung sehr ernst genommen'", schrieb "art but fair". Palfrader und Haselsteiner "sollten sich schämen und umgehend Ihren Rücktritt von allen Ämtern bei den Tiroler Festspielen erklären", wurde in dem Brief gefordert.

Die Künstler forderten weiterhin eine öffentliche Entschuldigung und appellierten insbesondere an Meindl: "Eine Entschuldigung ist unumgänglich, damit die gerissenen Wunden heilen können". Palfrader hatte vor zehn Tagen eine Entschuldigung verweigert, nachdem fünf betroffene Künstlerinnen eine solche gefordert hatten. Die Gleichbehandlungskommission war zuvor zu dem Schluss gekommen, dass es eine sexuelle Belästigung durch den ehemaligen künstlerischen Leiter der Festspiele, Gustav Kuhn, gegeben hatte. Palfrader argumentierte, dass sich derjenige entschuldigen müsse, "der es getan hat". Sie selbst sei "zutiefst betroffen von dem, was passiert ist".

Die Causa Erl war im Februar 2018 ins Rollen gekommen. Der Tiroler Blogger Markus Wilhelm veröffentlichte damals Vorwürfe der sexuellen Belästigung und des Machtmissbrauchs gegen Kuhn. In einem Offenen Brief warfen fünf Künstlerinnen dem Dirigenten schließlich namentlich "anhaltenden Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe" während ihrer früheren Engagements vor. Kuhn bestritt die Vorwürfe, stellte im Sommer 2018 aber seine langjährige Funktion als künstlerischer Leiter der Tiroler Festspiele Erl bis zur vollständigen Klärung der Vorwürfe ruhend. Im Oktober legte er dann alle seine Funktionen zurück.

Unterdessen hat sich rund um die Tiroler Festspiele Erl ein weiterer juristischer Schauplatz aufgetan: Die Staatsanwaltschaft Innsbruck beauftragte das Landeskriminalamt mit Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue und des Missbrauchs der Amtsgewalt gegen Unbekannt, wie ein Staatsanwaltssprecher gegenüber der APA erklärte. Der Grund: Das angebliche Erlassen der Kommunalsteuer.

Die Ermittlungen basieren auf einer Sachverhaltsdarstellung, die Liste Fritz-Landtagsabgeordneter Markus Sint eingebracht hatte. Laut Sint hat die Gemeinde den Festspielen etwa im Jahr 2016/2017 rund 13.000 Euro an Kommunalsteuer erlassen, berief sich der Abgeordnete auf einen Prüfbericht des Landesrechnungshofes.

Zu klären sei, ob es für das angebliche Erlassen der Kommunalsteuer einen Gemeinderatsbeschluss gibt, meinte Sint. In diesem Fall sei die Verantwortlichkeit der Gemeinderäte zu prüfen. Falls dies nicht der Fall war, müsse untersucht werden, ob der Bürgermeister der Gemeinde - zum Nachteil der Kommune und unter "Ausschaltung des Gemeinderates" - Vorteile gewährt habe.

Der Erler Bürgermeiste Georg Aicher-Hechenberger reagierte indes im Gespräch mit der APA scharf auf die Vorwürfe: "Es ist unglaublich, welche Personen mittlerweile in einem gesetzgebenden Organ wie dem Landtag sitzen. Es hat zu keiner Sekunde ein Erlassen der Kommunalsteuer gegeben". Ergo gebe es auch keinen Gemeinderatsbeschluss mit demselben Inhalt.

Ursprünglich sei aber ein Beschluss gefasst worden, wonach den Festspielen seitens der Gemeinde eine Kulturförderung in Höhe der Kommunalsteuer gewährt werde. "Denn sonst hätte die Gemeinde gar keinen Beitrag geleistet", so der Bürgermeister. Vor ein paar Jahren sei man dann dazu übergegangen, die Festspiele mit einer Pauschalsumme von 35.000 Euro zu fördern - "egal was die Kommunalsteuer ergibt". Diese mache nämlich wesentlich mehr aus. So habe die Gemeinde aus dem Festspiel-Standort auch noch einen finanziellen Nutzen gezogen, sagte Aicher-Hechenberger.

Zuletzt hatte die Staatsanwaltschaft - nach einer Sachverhaltsdarstellung des Tiroler Bloggers Makus Wilhelm - das LKA ebenfalls mit Ermittlungen wegen Untreue gegen Unbekannt beauftragt. Dabei ging es um den Vorwurf, dass Heizöl-Rechnungen für das Privathaus des ehemaligen künstlerischen Leiters Gustav Kuhn von den Festspielen Erl bezahlt worden sein sollen. Auch Sint brachte mittlerweile eine entsprechende Sachverhaltsdarstellung ein. Seiner Meinung nach sei neben der Verantwortlichkeit des Geschäftsführers der Tiroler Festspiele Erl Betriebsges. m.b.H. auch jene des Hauptgesellschafters, des Landes Tirol, zu prüfen.