Am Anfang: Blackout, unter sirrenden Drohnen sieht man schemenhaft, wie Schergen halbnackte Gefangene in eine Grube stoßen. Viel heller wird es auf der Bühne an diesem Abend nicht mehr werden, das Spanien Philipps II. ist ein finsterer Terrorstaat, in dem jeder Opfer werden kann. Klar, dass hier Intrigen spinnen zur Überlebenssache wird.
Schillers „Don Karlos“ ist die dritte seiner Inszenierungen, die Burg-Chef Martin Kušej aus München mit gebracht hat. Das Licht der Aufklärung, von dem das Ideendrama erzählt, bleibt hier ferne Idee, vielmehr sind die Nachtseiten von Tyrannei und Willkür ausgestellt: zeitgerechte Handreichung angesichts ringsum spürbar werdender demokratischer Ermüdungserscheinungen.

Totale Finsternis


Wie immer bei Kušej ist das Setting atmosphärisch frappierend: Absolute Macht braucht Dunkelheit, der Handlungsraum ist auf klaustrophobisch schmale Lichtkegel verengt, vieles erahnt man im Halbdunkel an deren Rand und in totaler Finsternis (Licht: Tobias Löffler). Alle Kleidung ist schwarz. Geheime Treffen finden in einem schalltoten Raum statt, dessen überdimensionierte Absorber wie spitze Lanzen auf die Figuren zielen (Bühne: Annette Murschetz).


Man sieht nicht viel und hört nicht viel in diesem Setting, das strengt die Sinne an und schärft sie bald zu fast paranoider Konzentration. Passt zur Lage, und man braucht sie sowieso, um den verschlungenen Komplotten und Kabalen der Höflinge zu folgen. Grandios, wie da etwa Marcel Heupermann, Johannes Zirner, Katharina Lorenz als Alba, Domingo, Eboli Verschlagenheit und Rachsucht ausgestalten.

Frostiges Glitzern


Dabei bringt Kušej in dieser strengen Inszenierung vor allem die zentralen Konflikte zu frostigem Glitzern: Karlos’ Buhlen um die Anerkennung des Vaters, der ihm die Verlobte weggeheiratet hat und jeden politischen Einfluß versagt, Posas Ringen um politische Freiheit. Den Idealisten Posa stellt der Regisseur ganz in den Mittelpunkt dieser Inszenierung, mit eleganter Präzision zeichnet Franz Pätzold dessen Pathos, Opferbereitschaft und Selbstüberschätzung, dem nach seinem berühmten Appell an den König („Geben Sie Gedankenfreiheit!“) ein zufriedenes, kleines „Huh!“ entfährt. Als Infant Karlos, zerrissen zwischen der Liebe zur Stiefmutter und politischem Auftrag wirkt Nils Strunk neben ihm wie ein überreiztes Kind. Den größten, unheimlichsten Auftritt aber liefert Thomas Loibl als Philipp: Die Menschlichkeit dieses von der Macht längst verkrüppelten Despoten ist ganz und gar zum Fürchten. Am Ende: langer Applaus für einen strapaziösen, beängstigenden, mitreißenden Viereinhalb-Stunden-Abend.