Wir sind vielleicht die Ersten, die das Stück wirklich nur mit zwölf Schauspielern spielen“, lacht Robert Schuster. Er erarbeitet mit seiner Kula-Compagnie Peter Handkes 1992 uraufgeführtes Stück „Die Stunde da wir nichts voneinander wußten“, das am Donnerstag Premiere im Stadttheater Klagenfurt feiert. Das Besondere: Es kommt gänzlich ohne Sprache aus, ist dafür aber sehr personenintensiv. Peter Handke selbst hat zwölf Schauspieler dafür vorgesehen, da das Stück aber über 340 Rollen enthält, wird es zumeist großzügiger besetzt: „Jeder Schauspieler muss bei uns in fast 30 Rollen schlüpfen. Man kann sich vorstellen, dass da hinter der Bühne ordentlich was los ist, denn alle müssen sich in Sekundenschnelle umziehen und schon wieder auftreten“, erzählt Schuster, der meint: „Das Schauspiel hinter der Bühne ist wahrscheinlich ebenso spannend wie das auf der Bühne.“

Dort spielt der Platz die Hauptrolle: Auf diesem Platz treffen Menschen aufeinander, gehen aneinander vorbei, bilden Gruppen, lösen sie wieder auf, bringen ihre Geschichten, ihre Sehnsüchte und Gedanken mit. Handke selbst hat in einem Interview als Initialzündung für das Stück einen Nachmittag auf einem kleinen Platz in Muggia bei Triest genannt. Dort habe er in einem Café gesessen und irgendwann gesehen, wie ein Sarg aus einem Haus getragen worden sei – das habe seine Wahrnehmung des Platzes verändert. Gewidmet hat er das Stück aber unter anderem dem Platz vor dem Centre Commercial du Mail auf dem Plateau von Vélizy.

„Eigentlich spielt das Stück aber auf irgendeinem Platz in irgendeiner Stadt in irgendeinem Land“, sagt Robert Schuster. Es gehe weniger um den konkreten Ort, sondern mehr um die Spuren, die die Menschen dort unbewusst hinterlassen: „Vielleicht geht ja jemand über den Platz, der sich an ein Weihnachten mit dem Vater erinnert. Weihnachten ist vorbei, der Vater vielleicht gar nicht mehr auf der Welt, aber die Erinnerung, die ist jetzt auf diesem Platz“, so der Regisseur, der einst mit Stadttheater-Intendant Florian Scholz gemeinsam studiert hat.

Vor einigen Jahren hat der Deutsche die Kula-Compagnie gegründet, die aus einem Laboratorium heraus entstanden ist: „Uns ging es darum, Übungsmöglichkeiten für junge Schauspieler zu schaffen. Ein Pianist übt täglich, bevor er auf die Bühne geht. Aber wo kann ein Schauspieler üben?“, so Schuster, der 2003 als Professor an die Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin berufen wurde, deren Regieabteilung er in den folgenden Jahren auch leitete. „Wir haben uns im Laboratorium dann immer mehr auch mit der Frage beschäftigt: Was ist europäisches Theater? Wie kann das Theater über nationale und sprachliche Grenzen hinweg funktionieren?“, so der 49-Jährige.

In Klagenfurt hat er Schauspieler aus mehreren Ländern versammelt. Neben den beiden Kärntnerinnen Magda Kropiunig und Katharina Schmölzer sind auch der Afghane Nasir Formuli und die Israelin Hadar Dimand sowie Schauspieler aus Frankreich, Deutschland und Italien (das Stück ist eine Koproduktion mit den Vereinigten Bühnen Bozen) mit dabei.

Vom Stück selbst ist Robert Schuster auch nach der intensiven Beschäftigung noch sehr begeistert: „Wenn man auf eine Frage eine Antwort hat, kommt schon die nächste Frage daher. Das ist das Besondere daran: Es bleibt immer ein Geheimnis.“