"Der lustigste Abend des Jahrhunderts" beginnt fast unbemerkt. Während die Premierengäste noch vor dem Theater eine letzte Zigarette rauchen, bringt sich Maximilian Brauer im Foyer in Stellung: Der deutsche Schauspieler verteilt Sekt im Publikum und Schlagobers auf einem Couchtisch, versucht sich an einem Gemälde mit "Malen nach Zahlen" und kommentiert das Geschehen vor den Fenstern mit Regieanweisungen. Als sich der Vorraum schließlich mit den Zuschauern gefüllt hat, versucht er einen Dia-Projektor in Gang zu setzen und erzählt von seinem Friseur, kommt von scharfen Scheren zu sauren Getränken. Nach einer halben Stunde darf das Publikum - zunächst einzeln, dann doch als Gruppe - in den leer geräumten Zuschauerraum hinabsteigen, um sich für die nächsten vier Stunden auf den nackten Podien das Kreuz zu ruinieren.

"Die ersten zweieinhalb Stunden sind so eine Art Zaubershow ohne Tricks", warnt der in einem Football-Dress steckende Brauer. Er soll recht behalten. Nachdem er das Publikum fotografiert und mit dem Handblitz die Handgelenke der Zuschauer in der ersten Reihe "gescannt" hat, will er mithilfe einer Badezimmerwaage "das Gewicht des Abends" ermitteln, daraus die Quersumme bilden und den Zettel, auf dem er diese vermerkt hat, so verstecken, dass er ihn nie wieder findet. Dann kommt die Kunst: Aus einem Dutzend "Medizini"-Heften schält er die Poster, um sie schließlich - "Siebdrucke" - in Serie aufzulegen und mit Ketchup und Schlagobers zu besprühen. "Es geht um Reproduktion!". Klar.

Und weil das Ganze eine Aktion ist, bekommt man im Laufe des Abends noch Besuch von einem etwas irritierten Pizzaboten und einem Blumenlieferanten, der sich mit seinem Rosenstrauß plötzlich mitten auf der Bühne wiederfindet, während aus den Boxen Hildegard Knefs "Für mich soll's rote Rosen regnen" dröhnt. Später wird Brauer noch einen (leeren) Rucksack mit der Aufschrift "Verantwortung" schultern und sich laut fragen, "was wohl gerade zur selben Zeit im Burgtheater passiert". Als Stichwortgeber tauchen am Rande der Aktion zwei Ton- und Lichttechniker, eine blonde Warhol-Muse und eine Art Old Shatterhand auf, der den Protagonisten des Abends später als Harlekin spiegeln wird.

Da werden aber schon die meisten Zuschauer den Saal verlassen haben. Während der viereinhalb pausenlosen Stunden, in denen auch die Berliner Band Goshawk für einige Nummern ihr Unwesen treiben darf, verschwinden so manche nicht nur schnell zum Bierholen oder auf die Toilette, sondern gleich ganz. Einige davon versucht Brauer aufzuhalten - zwei ältere Damen etwa mit der Aussicht auf Dauerkarten und einem raschen Strip -, bleibt aber erfolglos. Zwischendurch stärkt er sich nicht nur selbst mit rohen Frankfurtern, serbischer Bohnensuppe aus der Dose und einer Flasche Milch, sondern teilt mit dem Publikum auch palettenweise Cola, Bier und Gummischlangen.

"F for Factory" ist ein wenig so, als würde man stundenlang auf das Empire State Building starren, ohne dass etwas passiert. Dennoch traut man sich nicht wegzusehen, da man ja doch etwas verpassen könnte. Maximilian Brauer spielt um sein Leben, das eigene Scheitern stets auf der Metaebene mitgedacht. "Ich hoffe es stört euch nicht, wenn ich bis zur nächsten Vorstellung durchspiele", scherzt Brauer. Nach Mitternacht kommt die Angst auf, er könnte es ernst meinen. Als nur mehr ein gutes Dutzend im Saal verblieben ist, schreitet er mit blinkenden Dinosauriern, einem ferngesteuerten Auto, einer Schaufensterpuppe und dann doch noch mit dem anfangs versprochenen Diavortrag zum Finale. Wohlwollender Applaus, den die Truppe jedoch ohne Verbeugung ausklingen ließ.

(S E R V I C E - "F for Factory" im Schauspielhaus Wien. Von und mit Franz Beil, Maximilian Brauer, Vera von Gunten, Jesse Inman, Laurent Pellissier, Sebastian Schindegger und Daniela Zorrozua. Weitere Termine: 8., 9., 11., 12., 15., 16., 18. und 19. Oktober. Karten und Infos unter )