An dieser Stelle dürfen wir das Rad der Geschichte ausnahmsweise ein wenig zurückdrehen: Heute vor 50 Jahren sang Joe Cocker seine legendäre Version von „With a little help from my friends“. Montagfrüh ging das Woodstock Festival dann mit einem Auftritt von Jimi Hendrix zu Ende. Sein „Star Spangled Banner“, für den er seine Gitarre gegen den Vietnamkrieg ansingen ließ, ging in die Geschichte ein.

Von der Urmutter aller Musikfestivals haben wir uns mittlerweile ziemlich weit entfernt, aber was soll’s, es ist seither ja auch ein halbes Jahrhundert vergangen. Am Frequency Festival erinnert höchstens noch der Satz „Give Peas a Chance“ („Gebt Erbsen eine Chance“) vom Falafel-Stand (übrigens köstlich!) entfernt an den Hippie-Geist. Statt Antikriegs-Hymnen ging es gestern höchstens um Bandenkrieg: Mehrere Bandenmitglieder der deutschen 187 Straßenbande (187 steht als Polizeikürzel für Mord) wurden mit Gewalt- und Drogenkonflikten auffällig.

Vor allem Gzuz wurde bereits 13 Mal verurteilt. Sein letztes Vergehen ist allerdings relativ harmlos: Er soll in ein Hamburger Freibad eingestiegen sein. Umstrittenes Gangster-Spielen hin oder her, in St. Pölten zeigte sich, wie viele Anhänger der Rap zweifelhaften Inhalts tatsächlich hat. Viel Publikum fanden auch der danach auftretende US-Rapper G-Eazy und der vor der Bande auftrendende Cloud-Rapper Trettmann, mehr verdient hätten sich Lokalmatadorin Mavi Phoenix, die gestern Nachmittag vor ihrer Wikipediaseite als Deko rappte oder auch Dendemann, der am Vortag kurz vor Ufo 361 den Kürzeren zog.

Neben dem (Deutsch-)Rap gab gestern EDM, also Electronic Dance Music, den Ton an – die Swedish House Mafia war als Headliner gebucht, den Nachmittag beschallten Dynoro und W&W. Die House Mafia, eine Supergroup aus den drei Schweden Axwell, Steve Angello und Sebastian Ingrosso, ging dann jedenfalls in die Vollen - Hit folgte auf Hit, dazu bot man dem Publikum ein Effektspektakel, wie es sich heutzutage für einen EDM-Hauptact gehört, beendet mit einem krachenden Feuerwerk. 

"Make America Rage Again"

Der in den Anfängen von Frequency tonangebende Indie war auf die weitaus kleinere Weekender-Bühne in der Halle verbannt (Schade für alle, die so IDKHOW verpasst haben!). Härtere Rockklänge folgten auf der Green Stage mit Bullets for my Valentine und Prophets of Rage. Die starbesetzten Nachlassverwalter des Vermächtnisses von Rage Against The Machine hatten nur relativ wenige Fans vor die "Green Stage" gezogen - auch wieder kein Wunder, war das Angebot für Rockfans am Festival insgesamt doch eher bescheiden, im Ernst-Happel-Stadion gastierten parallel dazu auch noch Metallica. Die aus Mitgliedern von Rage Against The Machine (alle außer Zack de la Rocha), Public Enemy (Chuck D und DJ Lord) und Cypress Hill (B-Real) bestehende Supergroup bot vor allem die großen RATM-Klassiker ("Bullet in your head", "Killing in the Name") auf - die Wut und die Energie dieser Neunziger-Nummern ist merkbar immer noch da, der Irrsinn von Morellos Gitarrenspiel fasziniert ungebrochen, auch wenn Ausnahme-Rapper Zack de la Rocha einfach am Mikrofon fehlt. Dass es an Anlässen für die Wut auch heute nicht fehlt, stellte Chuck D gleich zu Beginn klar: "Make America Rage Again."

Deutsch-Rap und EDM auch am letzten Tag

Im Gegensatz zu Woodstock wird das Frequency nicht bis in den Montagvormittag hinein dauern – am letzten Tag warten heute der deutsche Rapper und Platz-eins-Rekordhalter Capital Bra, Frequency-Stammgast und US-Rapper Macklemore und das EDM-Duo Dimitri Vegas & Like Mike. Freuen darf man sich auch auf den Auftritt von Brit-Popstar Charli XCX.

Kreischen mit Stars: Yungblud als Künstler zum Anfassen

(APA)

Seinen Idolen ganz nahe kommen, auch das gibt es am Frequency: Am zweiten Festivaltag zeigte sich der britische Newcomer Yungblud bereits zu früher Stunde beim Autogrammzelt, vor dem sich die Fans die Beine in den Bauch standen. Dominic Richard Harrison, wie der 22-Jährige bürgerlich heißt, belohnte sie mit reichlich Zeit und viel Energie.

"Ich kann es nicht erwarten", ließ Yungblud schon kurz zuvor im APA-Interview wissen und machte gleich Lust auf seinen später folgenden Auftritt auf der Green Stage. "Festivals sind immer spannend. Bisher war es für uns wirklich großartig, weil die Leute immer voll abgegangen sind und alle Songs mitgesungen haben. Das ist einfach so bizarr", lachte der Musiker, der sich stilistisch kaum einordnen lässt. Hip-Hop, Punk, eine Prise Electro? Hat alles Platz, wie sein Debüt "21st Century Liability" im Vorjahr bewies. Vor allem scheint Yungblud aber mit seinen höchst persönlichen Texten einen Nerv bei den vorwiegend jungen Fans zu treffen.

"Alles, was ich jemals wollte, war über Dinge zu reden, die andere nicht ansprechen. Es muss mir etwas bedeuten, das ist am wichtigsten", stellte Yungblud klar. "Die Leute lieben oder hassen mich, aber ich werde mich nie zurückhalten. Dabei geht es gar nicht nur um die Musik, sondern um alles, was Yungblud ausmacht. Ich bin kein Popstar, keine leere Hülle." Sich allein gelassen fühlen, in dieser Welt ein Außenseiter sein - in diesen Aspekten sei er seinen Anhängern nahe. "Es geht ja nicht um mich oder sie, sondern immer um uns! Ich will die Unrepräsentierten repräsentieren!"

Gemessen am Gekreische, das seine Autogrammstunde begleitete, scheint ihm das bisher ganz gut zu gelingen. In wenigen Wochen will Yungblud eine neue EP veröffentlichen, außerdem ist die Arbeit am zweiten Album bereits in vollem Gange. Beeinflussen würden ihn dafür besonders die Begegnungen, die er in den vergangenen Monaten gemacht hat. "Deshalb verändert sich auch alles ständig", schmunzelte der quirlige Brite. "Jeden Tag triffst du neue Menschen, führst neue Gespräche, machst neue Erfahrungen. Es können gute Sachen sein, aber auch schlechte. Ich bin ja erst 22, da gibt es noch viel, was ich lernen kann."

Verlauf aus Sicht der Polizei "sehr, sehr ruhig"

(APA)

Am Frequency in St. Pölten ist es aus Sicht der Exekutive bisher zu keinen größeren Zwischenfällen gekommen. "Es ist sehr, sehr ruhig", sagte Stadtpolizeikommandant Franz Bäuchler am Freitag auf APA-Anfrage. Auch vonseiten des Roten Kreuzes hieß es: "Die Nacht war ausgesprochen ruhig." Der zweite Festival-Tag brachte einen Mix aus Wolken und Sonnenschein.

Zwar habe es bereits einige Diebstähle gegeben, aber "es hält sich im Rahmen", meinte Bäuchler. Auch Suchtgiftkonsumenten seien bereits erwischt worden. Die Halte- und Parkverbote in den Siedlungsgebieten und die Abschleppzonen werden den Angaben zufolge bis auf Ausnahmefälle beachtet.

Insgesamt verzeichnete das Rote Kreuz am Festival bis Freitag um 6.00 Uhr 759 Versorgungen. Der Großteil der Patienten konnte an Ort und Stelle behandelt werden. 63 Personen wurden ins Krankenhaus gebracht, etwa zum Röntgen.