Barcelonas berühmtestes Bauwerk ist nun legal. Die „Sagrada Família“ erhält nach 137 Jahren die Bauerlaubnis. Jedes Jahr besuchen Millionen von Gläubigen und Touristen die mächtige Basilika, die zu den spektakulärsten sakralen Bauwerken Europas gehört. Sie ist das Wahrzeichen der Mittelmeermetropole. 2005 wurde sie von der Unesco zum Weltkulturerbe ernannt. Doch eine formelle Bauerlaubnis der Behörden hatten die Tempelkonstrukteure, die 1882 den Grundstein zu der Kirche legten, bisher erstaunlicherweise nicht.
Dafür erfreute sich die „Sagrada Família“ aber des Segens der katholischen Kirche. Papst Benedikt XVI. war 2010 persönlich nach Barcelona gekommen, um Gaudís Meisterwerk zur Basilika zu weihen. Benedikt bezeichnete damals den katalanischen Baumeister als „genialen Architekten“. Sein Gotteshaus sei eine „wunderbare Synthese aus Technik, Kunst und Glauben“. Gaudí habe es geschafft, einen Raum von bezaubernder Schönheit zu schaffen – einen Raum des Glaubens und der Hoffnung.

Antonio Gaudí
Antonio Gaudí © KK



Dass dieser bizarre Tempel keine schriftliche Baulizenz hatte, störte lange Zeit niemanden. Bis im Jahr 2016 die linksalternative Bürgermeisterin Ada Colau beschloss, dass auch in Spaniens populärstem Heiligtum Recht und Ordnung zu herrschen habe. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die „Sagrada Família“ erst zu 70 Prozent fertig ist und sich nach den aktuellen Bauplänen noch weiter ausdehnen soll. Und zwar in die Breite mit einer riesigen Freitreppe vor dem Hauptportal. Und auch in die Höhe, wo laut Baugenehmigung ein Maximum von 172,5 Metern vorgesehen ist. Mit dieser Höhe wäre der Hauptturm der „Sagrada Família“ dann der höchste Kirchturm der Welt. Bisher trägt noch das Ulmer Münster mit einer Turmspitze von 161,5 Metern diesen Ehrentitel.
Nach langen Verhandlungen zwischen Stadt und Kirchenträgerverein wurde nun ein Abkommen vorgestellt, das den legalen Fortgang der Bauarbeiten sichert. Und das zudem ganz nebenbei die öffentlichen Kassen füllt. Für die Baugenehmigung müssen 4,6 Millionen Euro gezahlt werden, erklärte Barcelonas Baudezernentin Janet Sanz in einer Mitteilung. Zudem muss sich die „Sagrada Família“ mit weiteren 36 Millionen Euro an den Kosten für eine bessere Verkehrsanbindung der Basilika beteiligen.

Innenraum der Sagrada Familia
Innenraum der Sagrada Familia © AP (Manu Fernandez)



Rund 20 Millionen Menschen kommen jedes Jahr, um Gaudís architektonisches Wunderwerk wenigstens von außen zu bestaunen. Wer in den Tempel hineinwill, muss für ein einfaches Ticket 17 Euro bezahlen. Doch der Andrang ist so groß, dass ein Zugang ohne frühzeitige Onlinereservierung meist nicht möglich ist. Rund 4,5 Millionen Menschen konnten im vergangenen Jahr die Kirche auch von innen besichtigen. Die Basilika ist ein eigenwilliger und reichlich dekorierter Steintempel, der in der Vergangenheit immer wieder Konflikte mit Vertretern der traditionellen Baukunst heraufbeschwor, die sogar den Abriss dieses „Monstrums“ forderten. Gaudís Architektur ignoriert weitgehend die klassischen Baustile, unterwirft sich vor allem der Natur. Säulen und Türmchen wachsen wie Bäume in die Höhe, überall wuchern Äste, Blätter und Pflanzenornamente. „Alles fließt“, beschrieb Gaudí seinen ureigenen Baustil. Die „Sagrada Família“ soll nicht nur „ein Treffpunkt der Religiosität“ sein, erklärt der Kirchenförderverein, sondern auch Begegnungsstätte „der Kunst und Kultur“.

Immer von Türmen umgeben: die Basilika
Immer von Türmen umgeben: die Basilika © dapd (Emilio Morenatti)

Wenn alles nach Plan verläuft, soll die Kirche, die einmal 18 Türme haben wird, im Jahr 2026 fertig sein. Doch das hängt auch vom Geld ab. Denn die Basilika wird ausschließlich durch Spenden, Eintrittsgeldern und den Verkauf von Souvenirs finanziert. Für die Vollendung der Kirche sind noch mindestens 374 Millionen Euro notwendig, schätzen die Architekten. Im Jahr 2026 wären genau 100 Jahre seit dem Tod des legendären Baumeisters Antoni Gaudí vergangen. Er gilt heute als einer der genialsten, kreativsten und verrücktesten Baumeister Spaniens.
Doch zu Lebzeiten sahen dies nicht alle so. Manche Zeitgenossen beschimpften damals seinen unkonventionellen Kirchenbau wie auch andere Gaudí-Gebäude als „steinerne Missgeburten“. Unverstanden, frustriert und verarmt lebte er in seinen letzten Jahren zurückgezogen in seinem Gotteshaus und widmete sich, nur von einigen Gönnern gestützt, seinem Tempel, den er „Kirche der Armen“ taufte. Übrigens: Der Kirchenchronik zufolge hatte er vor Baubeginn durchaus beim Rathaus eine Genehmigung beantragt, aber wohl nie eine Antwort erhalten – was offenbar seitens Gaudí als stillschweigende Zustimmung interpretiert wurde.

Im Jahr 1926, im Alter von 73 Jahren, starb der Meisterarchitekt nach einem tragischen Unfall: Er wurde, nicht weit von seiner Kirche entfernt, von einer Straßenbahn überfahren und verschied kurz darauf im Armenhospital Barcelonas.