Die vorletzte Episode der Serie in der vergangenen Woche brachte die große, überraschende Wendung. Daenerys Targaryen brannte im Blutrausch King's Landing nieder, und die „Befreierin“ schlachtete dabei Hunderttausende Unschuldige. Man kann lange darüber streiten, ob sich die Folge „The Bells“ in der Darstellung einer solchen Gewaltorgie im Ton vergriffen hat: Die Dissonanzen zwischen einer Fantasy- und Abenteuerepos und einem Kriegsdrama lösten sich nicht so recht auf. Ist es legitim, dass eine Unterhaltungsserie einen Vernichtungskrieg zum Schauwert macht?

Die letzte (und 73.) Folge mit dem Titel "Der eiserne Thron" schlägt nun wieder neue Töne an. Sie setzt keinen weiteren großen Knall, sondern beschäftigt sich mit dem Nachhall einer Katastrophe aus der Vorwoche. Es ist eine Episode, die sich mit einer Welt nach dem Krieg beschäftigt, mit einer Gesellschaft, die wieder zu sich kommen möchte, die sich nichts mehr als Frieden wünscht.

Der letzte Höhepunkt

"He would see this country burn if he could be King of the ashes." (Varys über Petyr Baelish). Und jetzt Realität durch eine andere Figur
"He would see this country burn if he could be King of the ashes." (Varys über Petyr Baelish). Und jetzt Realität durch eine andere Figur © HBO

Bis es soweit ist, ist noch eine dramatische Klippe zu umschiffen. Denn die am schmalen Grat zwischen Wahnsinn und Sendungsbewusstsein wandelnde Daenerys bleibt natürlich eine riesige Gefahr für die Menschheit. Der vom Massenmord schockierte Tyrion, der der Drachenmutter gleich zu Beginn seine Hand-der-Königin-Nadel hinwirft, weiß dies natürlich ganz genau: Varys hatte Recht. Und der sein Todesurteil wegen Verrats erwartende letzte Lannister fordert Jon Snow/Aegon Targaryen dazu auf, das Problem Dany aus der Welt zu schaffen.Die folgende Szene zwischen Daenerys und Jon ist die beeindruckendste der gesamten finalen Folge. Vorbei am erschöpften Drachen Drogon (selbst er scheint des Tötens müde) findet Jon Daenerys im desolaten Thronraum vor, wo sie gerade in der nun für sie typischen Mischung aus Wahn und Arroganz am Eisernen Thron herumspielt. Endlich am Ziel. Endlich steht einer großen Zukunft nichts mehr im Weg. Der Dialog zwischen den beiden ist hervorragend geschrieben, selbst der Moment, an dem Jon erkennt, dass Daenerys ihren Weg der Tyrannei fortsetzen wird, ist auf die Sekunde genau herausgearbeitet. Jon tötet Dany. Sein Verantwortungsbewusstsein, sein Pflichtgefühl ist größer als seine Liebe. Und der Todeskuss zwischen den beiden Hauptcharakteren des „Songs of Ice and Fire“ ist grandios inszeniert.

Dass Drogon nicht vom Tod seiner „Mama“ begeistert ist, ist klar. Die Szene ist herzzerreißend. Doch Drogon verschont Aegon/Jon und schmilzt nur den Eisernen Thron im Drachenfeuer, um danach mit der Leiche von Daenerys davonzufliegen. Ein wunderbarer Moment, weil er suggeriert, dass der Drache nicht einfach ein schlaues Tier ist, sondern noch wesentlich intelligenter: Ein Wesen, dem es bewusst ist, dass es zum Instrument von etwas Schrecklichem gemacht worden ist. Das genug hat vom Töten und emotional gebrochen die Stätte des Grauens verlässt.

Neuanfang auf Ruinen

Damit endet der dramatische Teil von „Game of Thrones“ und man wendet sich nun dem Wiederaufbau von Westeros zu. Dass die Autoren es sich hier wahnsinnig leicht gemacht haben, ist unübersehbar. Dass Jon von den fanatischen Anhängern von Dany nach seinem Mord an ihr nur gefangen genommen, aber nicht gleich getötet wird, ist doch höchst unwahrscheinlich. Unbefleckte und Dothraki, die bis eine Szene davor noch dazu bereit waren, auf das Kommando der Drachenkönigin Männer, Frauen und Kinder niederzumetzeln, machen plötzlich Gefangene. Das ist tatsächlich sehr irrtierend. Noch dazu, wo die Dothraki nach der Anfangsszene einfach von der Bildfläche verschwinden. (Nebenbei: Warum gab es beim Schlachten von King's Landing überhaupt noch so viele Dothraki und Unbefleckte, offenbar haben diese beiden Gruppen sich nach der Schlacht um Winterfell auf mysteriöse Weise vermehrt.)

Abgesehen von diesem (sehr störenden) Makel, führt man die Serie danach zu einem schönen, versöhnlichen Ende. Auf den Ruinen des „Game of Thrones“, das nie ein Spiel, sondern immer blutiger Ernst war, etablieren die Überlebenden eine neue Ordnung. Wobei es dann laut Drehbuch sehr schnell gehen muss, und Spieler mit verschiedensten Interessen plötzlich an einem Strang ziehen. Sam schlägt sogar eine Demokratie vor, und wird dafür herzlich ausgelacht, aber schnell wird Bran zum neuen Herrscher der nunmehr sechs Königreiche (der Norden bleibt unabhängig) bestimmt.

Ein erschöpftes Lächeln

Der Rest der Folge erinnert in seiner gemächlichen Machart und seiner versöhnlichen Töne an das Ende von „Der Herr der Ringe“. Sogar ein Buch namens „Song of Ice and Fire“ wird präsentiert. Fazit zum Finale: Ein etwas überraschendes Ende, eher ein langer, immer wieder rührender Epilog zu den schrecklichen Ereignissen auf Westeros, der zwar schon während seiner Ausstrahlung in den sozialen Netzwerken auseinandergenommen worden ist, der die Serie aber recht gut, mit einem erschöpften Lächeln beschließt. Obwohl man gewaltige Mängel in der Handlungsführung hinnehmen muss. Aber das war man seit der fünften Staffel schon gewohnt. Das Spiel ist aus and now our watch is ended.

Noch ein paar Nachbemerkungen zu den politischen Subtexten von Game of Thrones und seiner Thematisierung von Diktatur und Demokratie.

Der Weg in die Diktatur

Menschen in Quadraten
Menschen in Quadraten © HBO

Es wurde allgemein moniert, dass die Verwandlung von Daenerys Targaryen viel zu schnell erzählt war. So richtig dieser Einwand ist - hätte man statt sechs 10 Episoden gedreht, wäre die Serie bestimmt eindrucksvoller zu Ende gegangen - hat diese schnelle Verwandlung von einer Lichtgestalt zur Fürstin der Dunkelheit doch auch einiges für sich. Von der charismatischen Führerfigur zur Tyrannin ist es hier nur ein kurzer Weg. Wie problematisch Daenerys' Handlungen vor ihrem Schritt in den Wahn schon waren, wurde schon vor Staffel 8 gar nicht so selten thematisiert, wurde aber von Figuren (und Zusehern) abgetan. Die „Breaker of Chains“ hat schon lange einen Führerkult um sich betrieben. Wie kaum eine andere Figur war sie von Rache und Machthunger getrieben. Ein schönes filmisches Detail: Die Armee der Unbefleckten wurde von Beginn an als Teil einer faschistoiden Bewegung inszeniert. Die immer in Reih und Glied stehenden Individueen haben (im Gegensatz zur wilden „Rotte“ der Dothraki) immer nach einer Diktatorenarmee ausgesehen. Auch in den Inszenierungen des Nationalsozialimus formierte man (etwa bei seinen Aufmärschen, Parteitagen oder Filmen) Individueen zu Ornamenten um. Der einzelne Mensch sollte in einer Masse aufgehen. Solche fragwürdigen Tendenzen hat die Regie von Game of Thrones eher beiläufig aufgegriffen. In Zeiten von Donald Trump und Co. ist Game of Thrones natürlich auch als Mahnung vor charismatischen Alleinherrschern zu lesen.

Der Frühlingstraum

Mit der Schlussszene aus dem Beratungsraum des Council des Königs demonstrieren die Serienmacher, wohl ganz im Sinne von George R. R. Martin, ihre Sympathien für ein völlig anderes, weniger archaisches politisches System. Der Tisch mit den unterschiedlichen Funktionären ist ein Debattierklub, ein Ort der Dikussionen, des Kompromisses. Also genau das Gegenteil der Gewaltherrschaft einer Tyrannin. Ein Ort, an dem Vernunft an die Stelle der Gewalt und der Willkür treten soll. Das ist eventuell der „Dream of Spring“, der auch Martin für das Buch-Ende der Sage vorschwebt. Und der König soll künftig nicht einer Erbfolge entspringen, sondern von den Fürsten gewählt werden. Der neue Grandmaester Sam wird für seinen Vorschlag einer Volksdemokratie zwar noch herzlich verlacht, aber hier wird langsam der Boden für eine andere Art Gesellschaft bereitet.

Das Ende der Wunder

Es ist schon mehrfach angemerkt worden, dass das Ende von Game of Thrones auch das Verschwinden des Mythos, der Religion thematisiert, das sich nun zeitgleich mit der Hinwendung zur politischen Vernunft vollzieht. Alle Vertreter/Priester des Lord of Light sind gestorben. Die White Walker und ihre Untoten sind zerstört. Und von den Kindern des Waldes hörte man auch nichts mehr. In der letzten Folge hat sich auch noch der letzte lebende Drache weit in den Osten, auf einen anderen Kontinent, vertrollt. Das Übersinnliche, das Mythische hat sich am Ende von Staffel 8 bis auf ganz wenige Elemente (Bran) verflüchtigt. GoT erzählt auch von einer Welt, die ganz weltlich wird. Die Nachfolgeserie, an der gerade gewerkt wird, wird dagegen wohl eher wieder tief in die Fantasy-Kiste greifen, ist sie doch historisch Tausende Jahre vor den Geschehnissen von Game of Thrones angesiedelt. An dem Prequel mit dem Arbeitstitel "Bloodmoon" wird gearbeitet und wir bleiben gespannt.