"Unsere Richtung ist seit vier Jahren klar, ihr bleiben wir auch in der letzten Spielzeit treu." Diese Devise stellte Intendantin Anna Badora heute der Präsentation der Vorhaben für ihre fünfte und letzte Spielzeit am Volkstheater Wien voran. Die Saison 2019/20 wird mit Doderers "Die Merowinger" eröffnet, das Ausweichquartier in der Museumsquartier-Halle E mit dem Schalko-Roman "Schwere Knochen".

Die Übersiedlung wird durch die von Jänner bis Oktober geplante Generalsanierung des Haupthauses notwendig. Für die dortige Zuschauertribüne "streben wir eine Größe von rund 800 Plätzen an", sagte Badora. Ebenso angestrebt wird ein Repertoirebetrieb, bei dem nicht nur "Schwere Knochen" (Alexander Charim, der zuletzt Haslingers "Opernball" inszeniert hatte, führt Regie, Premiere ist der 15. Jänner 2020) sowie "Schuld & Söhne", "ein satirisches Musiktheater über neue Geschlechtergerechtigkeit" (Badora) von Christine Eder (Text) und Eva Jantschitsch (Musik) gezeigt werden sollen. Offen ist noch, wie viele Produktionen, die zuvor noch im Haupthaus Premiere haben, dort gezeigt werden.

Längere Schließung katastrophal

Die derzeitige Aussetzung der Suche nach einer Nachfolge aufgrund einer von der Jury konstatierten latenten Unterdotierung des Hauses kommentierte Badora so: "Die Bestätigung, dass mit dem bestehenden Budget das Programm eigentlich nicht umzusetzen ist, ist wohl eine verquere Form der Anerkennung, eine indirekte Form des Komplimentes in dieser Stadt." Sie warnte allerdings auf Nachfrage vehement davor, das Volkstheater länger als unbedingt notwendig zu schließen. Der derzeitige Plan sieht die Übernahme des umgebauten Hauses (durch die neue Direktion) Anfang Oktober 2020 vor, dabei gebe es "sechs Wochen Reserve" sowie "Abwurfpakete, falls sich etwas als zu teuer erweist". Das Haus ein Jahr ohne Ersatzspielstätte zu schließen, wie verschiedentlich diskutiert wurde, "wäre absurd" und "der Anfang vom Ende": Damit bewiese man lediglich, "dass das Theater völlig entbehrlich ist".

In den bisherigen Saisonen habe man mit klaren politische Standpunktsetzungen, gezielter Einladung internationaler Regisseure, Förderung von weiblichen Regiekräften, Erschließung zusätzlicher Zuschauerkreise und konsequenter Jugendarbeit Flagge gezeigt, so Badora. "Dieses ambitiöse Programm haben wir umgesetzt mit einem lächerlich geringen Budget." Bei 16 Mio. Euro Gesamtbudget kamen 2018/19 5,1 Mio. vom Bund, 6,7 Mio. von der Stadt. Mit insgesamt 17 Produktionen - darunter acht Ur- und Erstaufführungen - möchte man im Volkstheater 2019/20 seiner Linie treu bleiben.

Nach der Saison-Eröffnung mit Doderers "Die Merowinger oder Die totale Familie" in der Bearbeitung von Franzobel in Regie von Anna Badora ("Wutbürger, Wut-Schürung und -beseitigung sind zentrale Themen des Romans.") wetteifern in "Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss" nach dem Roman von Horace McCoy zwölf Schauspieler des Volkstheaters um die Aufmerksamkeit. "Regisseur Milos Lolic thematisiert auch das Haus selbst vor seiner Schließung", sagte Dramaturg Roland Koberg. "Der gute Mensch von Sezuan" wird "der erste Brecht unter Anna Badora". "Wer hat meinen Vater umgebracht" nach dem Buch von Edouard Louis kündigte die Intendantin als "ein heißes politisches Eisen" an. Die letzte Haupthaus-Premiere vor der Sanierung gilt "Peer Gynt". Das Ibsen-Stück werde "sicherlich eine Steilvorlage für Viktor Bodos ästhetisch spannende Theaterfantasien", sagte Dramaturgin Heike Müller-Merten.

Roland Koberg, Heike Müller-Merten, Intendantin Anna Badora und Constance Cauers
Roland Koberg, Heike Müller-Merten, Intendantin Anna Badora und Constance Cauers © APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)

Im Volx/Margareten wird in einem neuen Raumkonzept u.a. das "Raunen"-Projekt des Jungen Volkstheaters starten, das auch eine ehemalige Remise in Wien-Meidling bespielt, sowie eine Reise durch die Geschichten des Wiener Gemeindebaus anhand von Figuren von Christine Nöstlinger vom Gurkenkönig bis zur feuerroten Friederike unternommen. "Haummas net sche?" ist laut Koberg "für und mit Menschen aller Generationen". Dazu gibt es Abende nach Kafka ("In der Strafkolonie") und Jelinek ("Urfaust / FaustIn and out"), zu Doping (Armin Petras inszeniert "Körper-Krieg") und Hungern als einstige Jahrmarkts-Attraktion ("Wir Hungerkünstler/innen" von Choreografin Florentina Holzinger).

Die Bezirke-Tournee geht 2019/20 in ihr 65. Jahr. "Die Reißleine" von David Lindsay-Abaire bietet nicht nur Erika Mottl, sondern auch Doris Weiner, die die Tournee in der 15. Spielzeit leitet, Paraderollen. Daneben machen sich "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran", "Weh dem, der lügt!" und "Warten auf Godot" auf ihre Reise durch 19 Spielstätten in 15 Wiener Gemeindebezirken.

Auslastungs-Zahlen der laufenden Saison wurden auch auf Nachfrage nicht bekanntgegeben. Laut einer Gemeinderats-Anfragebeantwortung lag im Jahr 2018 die Besucherauslastung im Haupthaus (52,4 Prozent) ebenso wie in den Bezirken (47,7 Prozent) weit unter den Planzahlen. "Wir erwarten keine Wunder in der jetzigen Situation", sagte Badora lediglich zum aktuellen Publikumszuspruch. Bei bestimmten Aufführungen gebe es Schlangen an den Abendkassen, andere Produktionen lägen unter den Erwartungen. Laut Müller-Merten sei etwa die Rote Bar bei vielen Veranstaltungen "brechend voll". Koberg lobte ausdrücklich den kaufmännischen Leiter Cay Stefan Urbanek. Dieser stand freilich, im Gegensatz zu den üblichen Gepflogenheiten, bei der Pressekonferenz nicht für Fragen zur Verfügung.