Er stammte selbst aus dem Gemeindebau. Zwölf Jahre nach seinem Tod hieven Lucy McEvil, Christoph Krutzler, Alf Peherstorfer und Oliver Welter eine Hommage an den Poeten und Dichter Georg Danzer auf die Bühne – im Rabenhoftheater in Wien, ebenfalls einst ein Gemeindebau. „Jö Schau – Von Scheibbs bis nach Nebraska – Georg Danzer träumt“ heißt der Abend, der am 24. April seine Premiere feiert. Oliver Welter, Frontmann von Naked Lunch, über seine Annäherung an die charismatische Austropop-Legende.


Wie ist Ihr Bezug zu Georg Danzer, wie sind Sie mit seiner Musik sozialisiert worden?
OLIVER WELTER: Eigentlich gar nicht. Ich bin ein ganz schlechter Auskunftgeber zu Austropop. Ich habe in dieser Zeit andere Musik gehört. Das ist mitunter der Grund, warum mich der Intendant Thomas Gratzer vor zwei Jahren beauftragt hat, mich André Hellers anzunehmen. Ich kannte das, was man landläufig von Georg Danzer kannte: die Hits. Und ich bin ihm selbst einmal bei einer Veranstaltung begegnet, bei der auch Naked Lunch aufgetreten sind.


Erzählen Sie mehr!
Das war im Ronacher, vor zehn oder 15 Jahren, eine Theatergeschichte, an die ich mich nicht mehr so genau erinnern kann. Es war viel Prominenz eingeladen. Er ist via Hintereingang hereingekommen, hat seinen Gig gespielt und ist dann wieder über den Hintereingang verschwunden. Er hat gesagt: „Das andere interessiert mich nicht.“ Das hat mir sehr imponiert.


Von Ihrer Außenseiter-Perspektive: Wie haben Sie sich Danzers Musik erarbeitet?
Fluchend (lacht). Ich versuche, diese Dinge mit großem Respekt zu machen. Da entsteht eine gewisse Distanz, die auch sein muss, sonst könnte man eine Danzer-Coverband hinstellen. Dafür bin ich nicht da. Ich habe die verschiedenen Phasen von ihm durchforstet.


Nämlich?
Da gibt es die ironisch-witzige, humorvolle Phase, dann gibt es den frivolen Danzer und dann jenen, der sich sehr mit der Friedensbewegung der 1980er beschäftigt hat und ein Teil davon war. Es existiert auch der sentimentale, dunkle Danzer, der mir am meisten behagt.

Fotoshooting im legendären Cafe Hawelka
Fotoshooting im legendären Cafe Hawelka © (c) Sophie Menegaldo


Wie ging es Ihnen mit den lustigen, schlagerhaften Liedern?
Mit dem Frivolen und Humoristischen habe ich mir am schwersten getan. Ich gehe nicht jeden Tag depressiv durch die Gegend, aber das Melancholische liegt mir viel näher. Das hat sich in der Beschäftigung als ein wichtiger Teil herausgestellt: Man kann den Danzer nicht vom Schlagerhaften subtrahieren. Das gehört dazu.


Leo-Prints und Schlaghosen – die Fotos vor dem und im legendären Café Hawelka schauen vielversprechend aus. Was darf man sich von dem Abend erwarten?
Wir sind keine Danzer-Coverband. Wir spielen seine Lieder nicht nach, sondern interpretieren sie in einem neuen Gewand neu.. An den Texten verändern wir nichts. Im Endeffekt ist es ein Theater- und kein Liederabend. Die Zeit ist jene des großen Hawelka, wo er auch seinen ersten großen Hit „Jö schau“ gehabt hat. Das Setting ist eines der 1970er, das Hawelka war eines von vielen, die es damals in Wien gab. Eines, wo Bohemians abgehangen sind.


Reden Sie manchmal darüber, wie Georg Danzer auf die Gegenwart reagieren würde?
Ja, wir haben uns gefragt, wie er mit der aktuellen Politik umgehen würde, welche Meinung er hätte und wie er sich äußern würde. Ich glaube, er würde sich sehr dezidiert äußern. Es gibt wenige, die sich da positionieren. Ich hoffe, dass Georg Danzer nicht zu einer aussterbenden Art von Künstlern gehören. Er hätte sich kein Blatt vor den Mund genommen.


Was hätte ihn denn aufgeregt?
Der Zynismus der aktuellen Regierung hätte ihn als politisch interessierten Menschen wahrscheinlich fertiggemacht und dazu veranlasst, zu handeln – als Songautor oder Aktivist.

Was meinen Sie mit Zynismus?
Was sich mehr oder minder hier aber auch global manifestiert, ist, dass die Politik zynisch gegenüber uns, gegenüber dem einfachen Volk ist, das sie vorgibt zu vertreten. Sie interessiert sich nicht für dich oder mich oder irgendjemanden.


Sie haben sich in Kärnten wiederholt politisch geäußert und bei der Landtagswahl 2018 sogar eine Empfehlung für Peter Kaiser, Spitzenkandidat der SPÖ, abgegeben, der Landeshauptmann blieb. Wie lautet Ihr Befund?
Ich merke eine Veränderung. Es ist trotzdem ein marodes Land, das Peter Kaiser übernommen hat. Es geht um das Aufforsten und Durchforsten dieses Desasters. Das nimmt viel Raum und Zeit ein. „Naked Lunch“ ist keine Band, die rein in Kärnten beheimatet ist. Es wohnt fast niemand mehr dort, auch ich lebe zu 50 Prozent in Wien. Aber es stimmt schon, Kärnten hat uns immer auch beeinflusst. Wir sind Söhne und Töchter der Stimmung da unten.


Sie hielten lang die Stellung.
Ja, ich war einer der Letzten, die die Bastion gehalten haben. Ich war immer viel unterwegs und daher war es nicht so schwierig, aber ich könnte nicht 365 Tage inklusive vier Wochen Urlaub im Jahr dort leben. So groß ist meine Liebe zum Land nicht. Aber: Ich betrachte mich schon als Kärntner – und das sage ich auch mit Stolz. Ich bin meiner Heimat sehr verbunden und sehe es auch als meine Heimat.


Im Vorjahr veröffentlichten Sie mit „Here Come The Bells“ eine neue Single – was gibt’s Neues bei „Naked Lunch“?
Ich habe ein Album geschrieben, das bis in den Winter hinein fertig produziert wird und, so wie es aussieht, Anfang nächsten Jahres erscheint.