Der französische Publizist und Philosoph Bernard-Henri Levy (70) ist auf Europa-Tour. Mit seinem Stück "Looking for Europe", dem inneren Monolog eines Schriftstellers, der sich angesichts des Aufstiegs von Nationalismus und Populismus Sorgen um Europa macht, gastiert er nach Mailand, Brüssel, Kiew, Amsterdam und Genf am 18. März im Wiener Theater Akzent.

Bis zum 20. Mai wird Levy durch 20 Städte reisen und - rechtzeitig vor den Wahlen zum Europäischen Parlament - sein Stück präsentieren. In jeder Stadt soll der Text auf die jeweilige Situation des Landes abgestimmt werden. Vor der Aufführung gibt es die Möglichkeit, über die Website https://lookingforeurope.eu zu Fragen zu stellen, die dann Teil der Aufführung werden können. Die Interview-Fragen der Austria Presse Agentur beantwortete "BHL" per Mail.

APA: Herr Levy, warum setzen Sie in Ihrer Initiative auf Theaterräume und nicht auf öffentliche Plätze?
Bernard-Henri Levy: Weil ich ein Schriftsteller bin, kein Politiker. Der Text, den ich spiele, ist ein engagierter Text, natürlich. Sehr engagiert. Mit einem echten Wutschrei gegen das, was Europa gerade wird. Aber ich bleibe ein Schriftsteller. Mein Ansatz ist der eines Schriftstellers. Wenn Sie so wollen, bin ich die einzige Person in dieser Kampagne, die eine Kampagne macht, ohne Kandidat zu sein. Daher im Theater, ja. In sehr schönen Theaterräumen. Wie Camus, wie Sartre, wie die großen engagierten Schriftsteller, die ich bewundere.

APA: Der Motor der EU-Erweiterung war ein ganz konkreter: die Hoffnung auf mehr wirtschaftlichen Wohlstand. Was kann in der Zeit der Krise und der Stagnation diesen Motor ersetzen? Welche Europa-Idee erreicht nicht nur die Hirne, sondern auch die Herzen und die Geldtaschen der Europäer?
Bernard-Henri Levy: Mir scheint es, dass die Völker Hunger nach Größe genauso wie nach Wohlstand haben. Und mir scheint, Europa hat in beider Hinsicht mehr zu bieten als die Nationen. Was den Wohlstand betrifft, tendieren die Leute dazu, das zu vergessen: Die Krise wäre ohne Europa noch viel furchterregender, schlimmer und desaströser als mit Europa. Ich glaube, ich beweise das in meinem Text. Und dann gibt es das, was ich Größe nenne, die Fähigkeit, über sich selbst hinauszuwachsen und Akteur der Geschichte zu sein und nicht nur Opfer oder Subjekt. Was diesen zweiten Punkt betrifft, ist es ganz eindeutig: Unsere Nationen sind Zwerge angesichts der neuen Reiche, die uns bedrohen; jede für sich genommen und von den anderen isoliert ist machtlos gegenüber der chinesischen, russischen, islamistischen oder "trumpistischen" Herausforderung; nur wenn sie vereint sind durch ein gleiches Projekt der Zivilisation, können sie ihnen ebenbürtig sein...

APA: Ihre Aufführungen sollen in jedem Land speziell adaptiert werden. Was wird die Stoßrichtung der Österreich-spezifischen Adaptionen sein?
Bernard-Henri Levy: Ich werde selbstverständlich von Ihrem jungen Kanzler sprechen. Von den Gründen, warum er meiner Ansicht nach kein "österreichischer Macron" ist. Von seiner Allianz mit der österreichischen extremen Rechten und davon, dass er im Kräftemessen mit ihr zwangsläufig Verlierer ist. Und ich werde vom österreichisch-ungarischen Reich sprechen, von seinem Fall, von der Nostalgie, die es nach wie vor hervorruft, von Robert Musil, Joseph Roth...

APA: Macron ist klar pro-europäisch orientiert. Doch ist er von den "Gelbwesten" deutlich unter Druck geraten. Zeigt das nicht, dass man bei allem europäischen Bekenntnis nicht die Bedürfnisse der lokalen, der regionalen, der nationalen Bevölkerungen vergessen darf?
Bernard-Henri Levy: Doch, selbstverständlich. Aber mir scheint, genau das tut Macron mit seinem "Grand Débat" (einem landesweiten Diskussionsforum, Anm.). Das ist seine wahre Antwort auf die Gelbwesten.

APA: Was ist Ihre Prognose, den Ausgang der Brexit-Debatten betreffend? Hard Brexit? Soft Brexit? Verschiebung oder zweites Referendum? Oder gibt es eine andere Lösung?
Bernard-Henri Levy: Ich weiß es nicht. Ich möchte gerne "zweites Referendum" sagen. Aber das ist vielleicht bloß Wunschdenken.

"Looking for Europe" im Theater Akzent, 18. März, 19.30 Uhr; Karten: 01/501 65-13306, https://www.akzent.at; http://www.bernard-henri-levy.com