Nach mehr als einem Jahr im abgeschotteten Hausarrest wird dem russischen Starregisseur Kirill Serebrennikow und seinen Mitarbeitern der Prozess gemacht. Der erste Prozesstag in Moskau soll am Mittwoch hinter verschlossenen Türen stattfinden. Die russische Justiz wirft dem Theatermacher vor, staatliche Fördergelder veruntreut zu haben.

Trotz der verzweifelten Lage habe er aber noch immer Hoffnung, das Gericht von der Unschuld seines in Russland und im Westen gefeierten Mandanten überzeugen zu können, sagt sein Anwalt Dmitri Charitonow. "Es gab kein Verbrechen, keinen Diebstahl, keinen Verstoß", sagt der Jurist dem kritischen Radiosender Echo Moskwy vor Prozessbeginn. "Wir haben keinen Zweifel daran, das auch stichhaltig belegen zu können." Seinen Angaben zufolge wird bei der ersten Anhörung entschieden, welche Beweise im Prozess zugelassen werden. Ob Serebrennikow endlich seine Wohnung langfristig verlassen darf, ist ebenfalls offen.

Die Anklage will seit einem Jahr beweisen, dass Serebrennikow gemeinsam mit drei Mitarbeitern seines Produktionsteam mehr als 133 Millionen Rubel (etwa 2 Millionen Euro) unterschlagen hat. Dem Kulturministerium soll so ein beträchtlicher Schaden entstanden sein. Eine schwere Anschuldigung, die eigentlich einfach zu widerlegen sei, sagt Charitonow. Denn aus seiner Sicht ist klar belegt, wo das Fördergeld eingesetzt wurde. Doch warum ist der Fall so brisant?

Kritiker nennen das Vorgehen gegen den 49 Jahre alten Serebrennikow, der das renommierte Gogol-Zentrum in Moskau leitet, eine Zäsur in der russischen Kulturszene. Viele sehen in der Festnahme, dem restriktiven Hausarrest und dem bevorstehenden Prozess eine Zermürbungstaktik der Staatsmacht, die unbequeme Künstler einschüchtern oder gleich mundtot machen will. Immer wieder seien Beweise der Verteidigung abgelehnt worden, die Ermittler seien nicht objektiv und würden lediglich Anweisungen von oben befolgen, sagte Serebrennikow bei einem Gerichtstermin im Sommer.

Tabu-Themen angesprochen

Der Kreml und Kulturminister Wladimir Medinski haben wiederholt verneint, dass es irgendeine Verbindung zur Politik gebe. "Serebrennikow wurde immer von den Behörden verwöhnt und hat keinen Grund sich zu beschweren", sagte Medinski. Serebrennikow ist dafür bekannt, mit seinen Werken zu provozieren und auch Tabuthemen anzusprechen. Gleichzeitig wagte er sich an der Zusammenarbeit mit dem Kulturministerium und nahm Fördergelder an - das wurde ihm zum Verhängnis.

Seit einem Jahr sitzt Serebrennikow in seiner Wohnung im Moskauer Stadtzentrum. Ein kleiner Balkon, ein kurzer Spaziergang pro Tag, das seien die Lichtblicke in seinem jetzigen Leben, sagt sein Anwalt. Internet darf er nicht nutzen und der Kontakt mit Kollegen ist ihm strengstens untersagt. Vom Weltgeschehen oder internationalen Solidaritätsaktionen erfahre er nur über seinen Anwalt. "Natürlich ist die Situation wahnsinnig schwer für Kirill. Er ist seiner Freiheit beraubt und der Möglichkeit, normal zu arbeiten."

Dennoch habe Serebrennikow seine Kreativität nicht verloren, sagt Charitonow. "Er hat noch immer Witz und Ironie."