She too. Die Frauen, die Marlene Streeruwitz in ihrem neuen Stück versammelt, sind alle einem Regisseur verbunden, der zu Beginn ihrer Karriere Kunst von Sex nicht trennen wollte. Was sollen sie davon halten, dass er sie nun alle für ein Projekt engagiert hat, bei dem sie die Mao-Witwe Jiang Qing spielen sollen, eine Ex-Schauspielerin, die in der Kulturrevolution über Leichen ging?

Nicht nur diese Ausgangssituation des beziehungsreichen Stückes ist kompliziert. Schon der Titel verweist auf sehr unterschiedliche männliche Herrschaftsmechanismen und Machtdemonstrationen: "Mar-a-Lago. oder. Neuschwanstein." Mar-a-Lago ist ein herrschaftliches Anwesen in Palm Beach im Besitz von Donald Trump, Neuschwanstein das Märchenschloss des bayerischen Königs Ludwig II. Streeruwitz' Stück wurde gestern gemeinsam mit dem von ihr übersetzten Text "Revolt. She said. Revolt again." von Alice Birch in einer feministischen Doppelpremiere uraufgeführt. Mit ihr eröffnete das Berliner Ensemble eine Serie an Inszenierungen und Veranstaltungen, in der Geschlechterbilder auseinandergenommen und Strukturen eines gleichberechtigten Miteinander untersucht werden: "Fokus: Gender", heißt die Reihe, die eine prägnante Botschaft hat: "Mind the Gap!"

Zwei Stücke, eine Regisseurin

Der Eröffnungsabend im Kleinen Haus des BE war fest in österreichischer Hand. Die junge Regisseurin Christina Tscharyiski inszenierte beide Stücke, die Bühnenbildnerin Dominique Wiesbauer besorgte im Verein mit der Künstlerin Verena Dengler die Ausstattung, die in Wien lebende Rapperin Ebow sorgte speziell im ersten Teil für prägnante musikalische Akzente und gab mit tollen Visuals zwischen Comics und Film gleich einmal Ton und Richtung vor: Angriff! Zurückhaltung war gestern. Heute wird zurückgeschlagen.

Birchs feministisches Manifest klopft in vier Akten Felder der Ungleichheit ab und ruft zum Handeln auf. "revolutionize the language", wird da von Zauberhand an die Wand geschrieben, während ein Superheld und eine Superheldin bei der gleichberechtigten Sex-Anbahnung groteske sprachliche Verrenkungen vollziehen, die in einen furiosen Vagina-Monolog münden. "revolutionize the world", "revolutionize the work" und "revolutionize the body" folgen: Böse, witzige, pointierte Szenen, in ein hippes Kunst-Umfeld versetzt und vom fünfköpfigen Ensemble (darunter zwei Männer) mit großem Spaß umgesetzt. "Das Wichtigste aber ist: Dieses Stück soll nicht brav gespielt werden", heißt es in den Vorbemerkungen. Das haben sich Tscharyiski und ihr Team nicht zweimal sagen lassen.

An Streeruwitz' Bühnenanweisungen haben sie sich nach einer streng choreografierten Umbaupause dagegen gar nicht gehalten. Und das ist gut so. Auch in "Mar-a-Lago." regiert die Fantasie. Showtreppe, Roter Teppich, Musical-Filme im Hintergrund und jede Menge kunst- und fantasievolle Requisiten zerschlagen jeden Anflug von realistischem Spiel. In weißgrauen Ponyfrisur-Perücken, Brautkleidern und High Heels beginnt ein Parcourslauf, der die zum Sturm der Entrüstung ansetzenden Frauen immer wieder straucheln lässt. Frauenpower und Zickenkrieg liegen hier eng beieinander.

Pendant zu Jelineks "Prinzessinnendramen"

Streeruwitz macht sich über die Schwierigkeit solidarischen Handelns keine Illusionen. "Mar-a-Lago." ist ihr Pendant zu Jelineks "Prinzessinnendramen", doch hier träumt man noch vom Märchenprinzen und schrubbt schon mal jene Treppe, die in lichte Höhen des Erfolgs führen soll. Gegen Ende lassen die Ausstatterinnen eine große Streeruwitz-Porträtzeichnung auf einen Schriftzug schielen: "Großes Haus" steht dort. Der Weg dorthin ist in der Realität kaum hundert Meter lang. Und offenbar noch immer steil und steinig.