Die Schaffung eines Wiener Kunst- und Kulturfördergesetzes, eine eigene Kulturstrategie und faire Arbeitsbedingungen: Wie bereits beim Antritt der neuen Bundesregierung legen die Interessensverbände nun auch der Wiener Stadtpolitik Vorschläge und Forderungen zur künftigen Gestaltung der Kulturpolitik vor. Anlass ist diesmal die Kür von Veronica Kaup-Hasler zur Kulturstadträtin.

So präsentierten am heutigen Mittwoch Vertreter der IG Kultur Wien, der IG Freie Theaterarbeit, der IG Autorinnen Autoren, des Dachverbands der Österreichischen Filmschaffenden sowie von mica und der Initiative freie Wiener Musikszene ein "10-Punkte-Programm der Wiener Kunst- und Kulturszene". Zugleich demonstrierte man einhellige Freude über die Wahl von Kaup-Hasler als Stadträtin: Irmgard Almer von der IG Kultur wertet die Personalentscheidung des neuen Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig (SPÖ) als "sehr positives Signal" und erhofft sich den versprochenen "frischen Wind", nachdem die "Entwicklungen von unten in den letzten 17 Jahren nicht ernst genommen" worden seien. "Nicht Planung und Nachhaltigkeit standen im Vordergrund, sondern Vermarktung und Gewinnmaximierung", zieht sie Bilanz über die Amtszeit von Andreas Mailath-Pokorny.

Mit dem vorgelegten Programm wolle man Kaup-Hasler das Angebot machen, gemeinsam an einer neuen Strategie zu arbeiten, um "einen neuen, zeitgemäßen, mutigen Zugang zu Kunst und Kultur" zu schaffen. Schließlich seien es die Strukturen selbst, die ein Härtetest für die neue Stadträtin werden könnten, so IG Autorinnen Autoren-Chef Gerhard Ruiss, der darauf verwies, dass das im Jahr 1995 ausgearbeitete Wiener Kunst- und Kulturfördergesetz nie in Kraft getreten sei, womit Wien als einziges Bundesland ohne ein solches Gesetz dastehe. Ziel sei es, eine "ausdifferenzierte gesetzliche Eigenverpflichtung von Wien zur Förderung und sonstigen Unterstützung von Kunst und Kultur" zu etablieren. "Auch die Ausgewogenheit und Angemessenheit von Maßnahmen können nur mit einer objektiven gesetzlichen Grundlage geschaffen und überprüft werden", heißt es in dem am Mittwoch präsentierten Papier.

Gefordert: eine Strategie

Darüber hinaus wird eine "Kulturstrategie für Wien" gefordert: "Der Kulturbereich hat sich mittlerweile in den Modus der Weiterverwaltung begeben", heißt es. Wien brauche einen Planungsneustart unter Einbeziehung internationaler und erprobter Best-Practice-Modelle. Ausgebaut werden soll auch die Jahresprogrammförderung, weiters pocht man auf faire Bezahlung und rechtskonforme Beschäftigungsverhältnisse. "Derzeit herrscht wenig Verteilungsgerechtigkeit", so Maria Anna Kollmann vom Dachverband der Österreichischen Filmschaffenden. Ziel einer neuen Kulturpolitik sei auch, einen "freien und gerechten Zugang zu Förderungen" zu ermöglichen und transparente Förderrichtlinien zu etablieren.

Ein eigener Punkt ist auch die Schaffung von leistbaren Räumen für die Kunst- und Kulturarbeit in Form von Werkstätten, Proberäumen und Ateliers genauso wie für Veranstaltungen und Präsentationen. In diesem Zusammenhang fordern die Interessensvertreter ein entschiedenes Auftreten gegen Gentrifizierung und prekäre Zwischennutzungen. Viele Künstler seien "von Verdrängung bedroht". So nannte Kollmann etwa die ehemalige Sargfabrik, die als F23 in Wien-Liesing zunächst zum Kulturzentrum wurde, nun aber an einen Immobilienträger verkauft worden sei. Zudem solle die Stadt ihre eigenen Leerstände für Kunstschaffende öffnen.

Auch die "Einhaltung des Weltkulturerbevertrags und die Umsetzung der UNESCO-Kulturkonvention" findet sich auf der Wunschliste der Interessensvertreter. Für eine Evaluierung und Überarbeitung der Theaterreform des Jahres 2003 setzt sich Ulrike Kuner von der IG Freie Theaterarbeit ein und regt die Schaffung eines großen Produktionshauses für die freie Szene an. Zudem bedürfe es dringend einer Valorisierung der Projektförderungen.

Besonders wichtig ist allen künftig der Dialog zwischen der Politik und den Interessensvertretungen, da die Kulturpolitik über viele Jahre "von oben herab" stattgefunden habe. Angestrebt wird ein "gegenseitiger wertschätzender Austausch, der mindestens vier mal im Jahr in Form eines Gesprächsforums erfolgen soll".