In fünf Jahren ist es soweit: 2024 richtet Österreich nach Graz 2003 und Linz 2009 wieder eine Europäische Kulturhauptstadt aus. In Wien trafen sich am Freitag die Vertreter von Bewerbern sowie Experten anlässlich der offiziellen Ausschreibung zur Tagung "Mehr Kultur durch mehr Europa", die von SPÖ-Kulturminister Thomas Drozda eröffnet wurde.

In weiterer Folge stellten die österreichischen Bewerber ihre Projektideen vor, wobei es gleich mehrere eine ganze Region umfassende Kandidaturen gibt: so etwa aus der Region Rheintal (mit Bregenz, Dornbirn, Feldkirch und Hohenems), Bad Ischl mit der Region Salzkammergut sowie der Region Obersteiermark West (mit Judenburg und Murau). Klarer als Einzelstädte präsentierten sich Wels, Baden bei Wien und St. Pölten. Im Endeffekt muss jedoch ein Städtename die Bewerbung anführen, die Erweiterung in die Region kann nur informell realisiert werden, wie ein anwesendes Jury-Mitglied der EU ausführte. Dies habe jedoch sowohl bei Essen ("Ruhr 2010") als auch bei Marseille (inklusive Provence) funktioniert.

Der Fahrplan für die kommenden Jahre ist fix vorgegeben: Nach der nun erfolgten Ausschreibung finden bis zum Jänner 2018 zwei weitere Workshops mit den Bewerbern statt. Im Februar 2019 wird schließlich die Shortlist der EU-Jury präsentiert. Die in die engere Auswahl gekommenen Städte müssen dann ihre Vorhaben konkretisieren, bevor die Jury im Dezember 2019 ihre Entscheidung fällt. Während der Vorbereitungszeit findet in den Jahren 2020 bis 2023 schließlich ein Monitoring durch die Fachjury statt.

"Jede Stadt, die zur Europäischen Kulturhauptstadt ernannt wurde und zukünftig wird, steht für die unglaubliche Vielfalt Europas", so Drozda in seiner Eröffnungsrede. "Diese Städte symbolisieren sowohl die Geschichte der jeweiligen Region als auch den kulturellen Reichtum Europas." Kunst könne Impulse setzen und einen Perspektivenwechsel ermöglichen, erläuterte der Minister. "Aus meiner Sicht wird es dabei auch um Fragen der kulturellen Teilhabe gehen. Schließlich finden in den wachsenden Städten Menschen mit unterschiedlichen Religionen, Migrationshintergründen, Ausbildungswegen und Einstellungen zusammen."

Die einzelnen Vertreter der Bewerberstädte hielten sich mit konkreten Ideen noch zurück und präsentierten in ihren fünfminütigen, mit Fotos unterlegten Statements hauptsächlich historische Informationen und bestehende kulturelle Aktivitäten. Am Konkretesten war da noch die Region Salzkammergut, vertreten durch ihren Projektmanager Klaus Wallinger, der neue Perspektiven eröffnen und Klischee-Bilder "zurechtrücken" möchte. Ziel sei es, im Zuge der Bewerbung eine lebenswerte Umgebung auch für junge Menschen zu schaffen.

Während Bad Ischl mit zu viel an vorgefertigten Bildern zu kämpfen hat, fragte Hanno Loewy, Direktor des jüdischen Museums in Hohenems, zu Beginn seiner Rheintal-Präsentation: "Wo liegt diese merkwürdige Region überhaupt?" und thematisierte in Folge die Region, die eine "europäische Utopie" darstelle, da es durch den Bodensee eine "verrückte Art von Grenze" gebe und Städte aus drei Ländern hier fast schon ineinander übergingen. "Es ist ein Agglomerat, das wild wuchert." Dementsprechend wolle man sich 2024 Fragen nach Grenzen, der Kolonisierung des Naturraums und auch der Bildung stellen, zumal die meisten jungen Menschen auswandern würden, um sich anderswo zu bilden.

Nach einer Diskussion mit Vertretern der Kulturhauptstädte Temeswar (Timisoara) und Novi Sad, die die Kulturhauptstadt im Jahr 2021 ausrichten werden, diskutierten u.a. der Schriftsteller und Historiker Doron Rabinovici, Cornelia Gerdenitsch vom Austrian Institute of Technology sowie Gerfried Stocker von der Ars Electronica über "Chancen und Herausforderungen einer Europäischen Kulturhauptstadt im Jahr 2024".

Die Initiative Europäische Kulturhauptstadt geht auf die Künstlerin und seinerzeitige griechische Kulturministerin Melina Mercouri zurück. Erste Kulturhauptstadt war 1985 Athen, heuer sind dies Aarhus in Dänemark und Paphos auf Zypern. In Würdigung an die Initiatorin wird an jede Kulturhauptstadt eine EU-Förderung in Höhe von 1,5 Millionen Euro als Melina-Mercouri-Preis vergeben. Ab dem Jahr 2021 können sich auch EU-Beitrittsländer und ab 2024 auch EFTA/EWR-Staaten alle drei Jahre bewerben. Österreich wird 2024 gemeinsam mit Estland und einem EU-Beitrittskandidaten oder EFTA/EWR-Land die Europäische Kulturhauptstadt ausrichten.