Der ORF will künftig neben dem klassischen Informationsangebot verstärkt auf konstruktiven und investigativen Journalismus setzen. Dies berichteten Generaldirektor Alexander Wrabetz und Fernsehdirektorin Kathrin Zechner am Montag bei einem Studientag des ORF-Publikumsrats zum Thema "Constructive News". Wrabetz sprach von einer "Weiterentwicklung der journalistischen Herausgeber-Linie des ORF".

Medien betreiben Panikmache, sind überwiegend destruktiv, liefern falsche und verzerrte Bilder und desillusionieren so die Menschen. Dies fördert den Vertrauensverlust in den Journalismus und führt zu Medien- und Politikverdrossenheit. Konstruktiver Journalismus kann hingegen helfen, die Qualität im Journalismus zu steigern und verlorenes Vertrauen wieder aufzubauen. Mit diesen Thesen sorgt der dänische Medienmanager Ulrik Haagerup seit einiger Zeit für Diskussionen.

Auch der ORF widmet sich dem Thema bereits seit längerem. "Konstruktiver Journalismus ist nicht Schönfärberei, sondern die Abbildung der Realität aus einer anderen Perspektive", so Fernsehdirektorin Zechner. Für den ORF seien konstruktiver Journalismus und kritischer, investigativer Journalismus ein "gemeinsames Paket". "Constructive News" und Investigation sollen auch im neuen multimedialen Newsroom-Konzept einen besonderen Schwerpunkt darstellen, berichtete Newsroom-Projektleiter Stefan Ströbitzer. Punkto "Constructive News" präsentierte Zechner eine Reihe von Beispielen aus der ORF-Berichterstattung, vom Wissenschaftsbericht über fühlende Beinprothesen bis hin zu einem ORF-Vorabend-Experiment, bei dem sich Familien ein Jahr lang regional ernähren.

Die Welt sei nicht unsicherer

Für ORF-Chef Wrabetz wurde das journalistische Credo "Only bad news are good news" in den vergangenen Jahren von manchen Medien zu sehr in den Vordergrund gestellt. Die Welt sei jedenfalls nicht unsicherer geworden als vor 20 oder 30 Jahren, auch wenn dieser Eindruck in der Berichterstattung manchmal entstehe. "Gute Berichterstattung ist auch konstruktive Berichterstattung". Dabei gehe es aber nicht um "Wohlfühlberichterstattung", so der Generaldirektor. "Und 'Constructive News' kann auch nicht heißen, dass wir oder irgendwelche Journalisten die besseren Politiker sind und Lösungen präsentieren." Das würde die Glaubwürdigkeit nämlich schmälern. "Es geht darum, dem informierten Bürger die bestmögliche Teilhabe an demokratischen, sozialen und kulturellen Prozessen zu ermöglichen. Das ist unser aufklärerischer Anspruch, der uns von kommerziellen Medien unterscheidet."

Für die Kommunikationswissenschafterin Julia Wippersberg braucht des den Begriff "Constructive News" indes nicht. "Das ist alter Wein in neuen Schläuchen. Alle Paramenter die für 'Constructive News' angeführt werden, gibt es schon: im Qualitätsjournalismus." Die Kritik an negativen Nachrichten sei zudem "nicht neu, neu ist die Verknüpfung mit der Medienkrise durch die Digitalisierung, mit der Abwanderung von Rezipienten und dem Sinken von Auflagen". Von Journalisten werde zu viel verlangt. "Es ist nicht die Aufgabe von Journalismus, dass die Welt zu einem besseren Ort wird", so die Medienforscherin. "Information muss sachlich, ausgewogen, aufschlussreich, relevant, verständlich, umfassend, ausführlich, vielfältig multiperspektivisch sein." Wippersberg warnte davor, dass Journalisten selbst Lösungen liefern. "Ich bin mir nicht sicher, ob es für den ORF gut wäre, der Politik Lösungen vorzuschlagen."