Am Sonntag wird Ihre Messe „Prayer Wheel“ uraufgeführt. Wie kam es dazu, dass Sie eine Messe komponiert haben?
KAREN ASATRIAN: Für die Messe gibt es eigentlich zwei Gründe. Erstens, Dankbarkeit und Freude darüber, dass meine Nichte eine schwere Krankheit überwunden hat. Bei Lilith wurde ein Neuroblastom festgestellt. Nach diesem Schicksalsschlag war auch ich völlig erschöpft und nahm daher ein Jahr Auszeit von meiner Unterrichtstätigkeit am Kärntner Landeskonservatorium.

Die haben Sie genutzt, um zu komponieren?
ASATRIAN: Zunächst einmal habe ich sie für intensive Gartenarbeit genutzt. Ich habe wie besessen einen großen Garten angelegt, allein das Hochbeet umfasst 54 Quadratmeter. Aber das hat mich gerettet, danach habe ich wieder zu komponieren begonnen. Mit dieser Messe will ich jetzt Gott danken, dass Lilith wieder gesund und ein aufgewecktes Mädchen geworden ist.

Sie haben sich bereits einmal dafür bedankt – mit einem Benefizkonzert für die Kinderkrebshilfe.
ASATRIAN: Die Kinderkrebshilfe war eine große Stütze, weil sie in Wien, wo Lilith behandelt wurde, die Wohnung für die Familie meines Bruders bezahlt hat. Das Benefizkonzert hat 10.000 Euro eingespielt, das Geld ist zur Gänze an die Kinderkrebshilfe zurückgeflossen. Ich muss sagen: Das Sozialsystem in Österreich ist großartig, das lernt man erst zu schätzen, wenn man es braucht. Es lohnt sich, dafür zu kämpfen.

Sie haben gesagt, es gibt zwei Gründe für die Messe?
ASATRIAN: Ja, der zweite ist der hundertste Jahrestag des Völkermordes an der armenischen Bevölkerung im Jahr 1915, der von der Türkei bis heute geleugnet wird. Ich sehe diesen Jahrestag als Grund zu feiern, dass es uns noch immer gibt.

Verstreut über die ganze Welt.
ASATRIAN: Ja, zwei Millionen leben in Armenien, acht Millionen außerhalb. Allein in Wien leben 3000 Armenier.

Wie sind Sie selbst eigentlich in Klagenfurt gelandet?
ASATRIAN: Ich habe in der armenischen Hauptstadt Eriwan und später in Moskau klassische Geige, Komposition und Klavier studiert, als über einen armenischen Bekannten eine Anfrage kam, ob ich für den österreichischen Nationalzirkus Louis Knie etwas komponieren würde. Mit dem Zirkus bin ich dann nach Österreich gekommen, habe Jazz studiert, eine Familie gegründet und hier Fuß gefasst.

Wie kann man sich die Musik von „Prayer Wheel“ vorstellen?
ASATRIAN: Es ist eine Synthese aus Jazz, klassischer Musik und armenischen Klängen – ich versuche, all diese Richtungen möglichst rund zusammenzubringen, wie ich es ja schon auch auf den CDs „Pathway“ und „Dervish“ gemacht habe. Vom Aufbau her ist es eine klassische Messe mit Kyrie, Gloria und so weiter.

Und wie darf man den Titel „Prayer Wheel“, also „Gebetsmühle“, verstehen?
ASATRIAN: Die Messe beginnt in D-Dur, der feierlichsten aller Tonarten, und wandert dann durch alle Tonarten, bis sie wieder zu D-Dur zurückkommt. Diese Wiederholungen, aber auch die lateinische Sprache lassen an eine buddhistische Gebetsmühle denken.

INTERVIEW: MARIANNE FISCHER