Am 10. Dezember 1984, also vor fast 33 Jahren, schenkten Wham! der Welt ihr "Last Christmas". 267 Sekunden - geeignet, um sich selig in Weihnachtsstimmung zu summen oder in den Irrsinn zu driften. Was ist "Last Christmas" - und warum ist es so resistent? Wann wurden Frisuren wie die von George Michael und Andrew Ridgeley (das war die andere, eher mäßig beachtete Hälfte von Wham!) behördlich untersagt?

Die Musik

Weihnachtszauber aus der Trockenhaube, mittlerweile so etwas wie allgemeines Kulturgut wider Willen. Ein Lied, das für viele mehr Sinn ergibt, wenn man die Buchstaben "i" und "e" in "Lied" vertauscht. Eine Advent-Schmonzette, völlig synthetisch im Mitt-Achtziger-Jahre-Sound produziert (nicht einmal die Schlittenglocken am Ende sind echt - und die können nun wirklich nichts dafür). Eine saisonale Erscheinung, die sich wie Eis in Auto-Türschlössern bei minus 25 Grad festgekrallt hat. Ein Stück wie ein Vanillekipferl, das man Jahre später noch in einer alten Keksdose findet. Eine Nummer wie der marode Christbaum-Ständer, den man heuer endlich entsorgen will - und dann kommt man erst wieder nicht dazu. Musik, die man, großzügig geschätzt, um die 12.343 Mal zu oft gehört hat. Wie viele Weihnachtsbabys dazu gezeugt wurden, hier schweigt die Statistik.

Die Geschichte

Die Geschichte, um die "Last Christmas" kreist, ist eigentlich eine ziemlich traurige: Ein herzwunder Hauptdarsteller denkt schmerzvoll an jene Frau, der er beim Weihnachtsfest ein Jahr zuvor seine Liebe unter den Christbaum gelegt und dann am nächsten Tag zurückgeworfen bekommen hat. Entsorgt noch vor dem neuen Jahr, schneller als der Glühpunsch kalt wurde - und das offenbar ohne Angabe von Gründen (Schlussmachen per SMS, das spielte es 1984 auch noch nicht). Da bleibt nichts mehr zu tun als den Kummer in geselliger Runde und Strömen von Rotwein zu betäuben. Und in diesem Jahr, da bekommt das Herz jemand Besonderer, der es verdient hat. Die kreative Dauerwelle, sie hält sogar unter der Wollhaube. Das waren die 1980er-Jahre. Wer ein Kind derselben war, wird sich wohlig zu Hause fühlen. Oder rasch jeden Verdacht von sich weisen.

Das Video

Zum Zeitpunkt, als dieser Artikel entstand, hielt das offizielle Video auf YouTube bei 58.399.304 Klicks. Gedreht wurde in den Schweizer Alpen - auch optisch und modisch ist es das Sittenbild eines Jahrzehnts: Die Damen trugen noch Schulterpolster, als wollten sie gleich in den Zweikampf ziehen, die Herren dafür ein wenig Make-Up und Anoraks mit Pelz-Kapuzen. Michael scheint am Ende sein blondes Gegenstück gefunden zu haben, sein musikalischer Kompanion versucht sein Glück bei einer dunkelhaarigen Schönheit. Zu MTV-Zeiten - YouTube war noch in weiter, weiter Ferne - ein Dauerbrenner, den man von Mitte November bis Anfang Jänner konsumierte. Und das aus freien Stücken.

Die Versionen

Der weit verbreitete Ekel über das Lied hielt unzählige andere Künstler nicht davon ab, es ebenfalls damit zu versuchen: Es gibt Hunderte Cover-Versionen von "Last Christmas" - unter anderem von Atomic Kitten, The BossHoss, Coldplay, Hilary Duff, Element Of Crime, Romina Power oder auch Max Raabe. Wer vom Klassiker nicht genug bekommen kann und zu den ganz Hartgesottenen zählt, kann sich auch den "Pudding-Mix" antun, der auf sechs Minuten und 45 Sekunden kommt. Vor einigen Tagen klagte ein Linzer seine Diözese, weil er sich von den mitternächtlichen Kirchenglocken belästigt fühlt. Ob auch in Sachen "Last Christmas" im Moment eine Klage anhängig ist, ist nicht bekannt.

Der Hintergrund

Das Original wurde vielfach wiederveröffentlicht und neu aufgelegt - und dürfte Michael seit 1984 dessen schillernde Existenz bestens abgesichert haben. Und das, obwohl die Klatschpresse über die Jahre immer wieder vermeldete, dass der Musiker seine Probleme mit Schnee habe. Der Brite hat den Welthit entgegen anders lautender Gerüchte auch niemals an Ridgeley verschenkt. Ursprünglich hätte "Last Christmas" übrigens erst 1985 veröffentlicht werden sollen - mit dem Titel "Last Easter." Zumindest das blieb uns erspart. Ein für das Jahr 2008 angekündigtes, neues Weihnachtslied vom sehr respektablen Solokünstler Michael erblickte niemals das Licht der Welt. Zünden wir eine Kerze an.

Der Text

THOMAS GOLSER