30.000 Feldpostkarten schweben über der hölzernen Spielfläche - das ist das Ambiente, das die Zuschauer auf der Perner-Insel erwartet, wenn ab 17. August Ödön von Horvaths "Don Juan kommt aus dem Krieg" gezeigt wird. "Wir verorten des Stück historisch", sagt Regisseur Andreas Kriegenburg. "Er ist kein aus Afghanistan heimkehrender Bundeswehrsoldat. Es spielt 1918, wie es Horvath vorgesehen hat."
Die Salzburger Festspiele beschäftigen sich heuer - genau 100 Jahre nach seinem Ausbruch - intensiv mit dem Ersten Weltkrieg. Horvaths 1936 fertiggestelltes und 1952 am Wiener "Theater der Courage" uraufgeführtes Schauspiel, das zuletzt von Luc Bondy am Berliner Ensemble erfolgreich auf die Bühne gebracht wurde, passt in diesen Rahmen. "Aber es entzieht sich jeder Vereinnahmung und Kategorisierung: Es ist kein Frauenstück und es ist kein Antikriegsstück. Es ist ein Stück, das sich nicht benutzen und nicht entschlüsseln lässt", so Kriegenburg im APA-Interview. "Und man darf es auch nicht enträtseln."
Don Juan (gespielt von Max Simonischek) taumelt als Kriegsheimkehrer durch eine devastierte, desillusionierte in jeder Hinsicht ausgehungerte Heimat. Schwer, da nicht an Beckmann aus Wolfgang Borcherts "Draußen vor der Tür" zu denken. "Wie er ist er eine einsame Figur, aber jeder befindet sich auf seiner Insel und in seiner eigenen Gefangenschaft", meint der Regisseur. "Dieser Don Juan ist ja so schwierig zu entschlüsseln, weil er eine mythische Figur ist. Und Horvath macht ja auch keine Anstrengungen, das zu begründen. Die Frauen verfallen ihm oder erzählen, dass sie ihm mal verfallen waren. Aber es gibt keine Hinweise auf Flirt und Verführung, er ist ja mitunter fast spöttelnd ablehnend. Aber die Frauen zwingen ihn, seine Rolle wieder einzunehmen."
Kriegenburg hat 35 Frauenrollen auf neun Schauspielerinnen aufgeteilt, von Natali Seelig bis Olivia Grigolli und Sabine Haupt. Sie alle kreisen wie Planeten um den Mann, der - mit Metallsplittern im Leib und Schmerzen in der Brust - eigentlich nur heim zu seiner Braut möchte. Doch diese hat seine Briefe nicht beantwortet. Er weiß noch nicht, dass sie tot ist. Mit Zitaten aus echten Feldpostbriefen möchte Kriegenburg seine Inszenierung beginnen, "als klangliche Collage", um einen Ton vorzugeben, der den Abend prägen soll: "Wir arbeiten viel mehr an der Musik der Sprache als an ihrem Sinn."
Im vergangenen Jahr hat der 50-Jährige, der früher gerne in langfristigen Zusammenhängen arbeitete, erstmals als freischaffender Regisseur gearbeitet, vor allem, um sich mehr der Oper widmen zu können. "Ich habe in der letzten Spielzeit Mozart und Bernd Alois Zimmermann inszeniert. Größer kann man die Schere nicht aufmachen", schmunzelt er. Kriegenburgs "Soldaten"-Inszenierung war Ende Mai in München ein fulminanter Erfolg - die Mann-Frau-Beziehung kulminierte dort allerdings in blutigen, bestialischen Bildern.
Unter Klaus Bachler war Andreas Kriegenburg einer der Hausregisseure der Burg. Bei Matthias Hartmann war Pause. "Sagen wir mal so: Wir haben einander nicht gesucht." Für Interims-Direktorin Karin Bergmann war er einer der ersten Namen, die sie als künftige Regisseure nannte. "Ich habe mich darüber sehr gefreut. Wir sind auch in einer festen Verabredung zum ehestmöglichen Termin." Und er kann sich Bergmann auch gut längerfristig als Direktorin vorstellen. "Ich habe sie als eine unglaublich integre, kompetente, spannenden Arbeitspartnerin kennengelernt. Sie hat meinen Zuspruch."
Über die Situation am Burgtheater möchte sich Kriegenburg nicht äußern, dazu fehle ihm der detaillierte Einblick, meint er, doch eine rein ökonomische Betrachtung von Kunst und Kultur sei fehl am Platze, ist er sich sicher: "Theater kostet viel Geld. Dazu muss man sich dazu bekennen. Theater rechnet sich in einer Generration, aber nicht innerhalb eines Drei-Jahres-Plans. Man muss Kunst zusammendenken mit Bildung, mit Humanismus, mit Frieden."
Die Salzburger Festspiele seien ein gutes Beispiel dafür: "Eine kleine Stadt, die natürlich auch davon lebt - sowohl was die Reputation, als auch was den Geldfluss betrifft -, dass man sich seit Jahrzehnten diese Festspiele leistet. Man kann das ganz rasch reduzieren, dann hat man in zehn Jahren ein kleines Festival in einer kleinen Stadt. Und was von Max Reinhardt begonnen wurde und eine gewisse Größe erhalten hat, ist dann zurechtgeschrumpft, weil ökonomisiert. Aber es geht dann nie wieder zurück. Dessen muss man sich bewusst sein."
(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - Ödön von Horváth: "Don Juan kommt aus dem Krieg", Regie und Bühne: Andreas Kriegenburg, Kostüme: Andrea Schraad; Mit Sonja Beißwenger, Olivia Grigolli, Sabine Haupt, Traute Hoess, Elisa Plüss, Nele Rosetz, Janina Sachau, Natali Seelig, Max Simonischek und Michaela Steiger. Salzburger Festspiele, Perner-Insel Hallein, Premiere: 17. August, 19.30 Uhr, Weitere Aufführungen: 19.-21., 23., 24., 26., 27.8., Karten: 0662/8045-500, )