Wenn Bob Dylan spielt, wird nicht geschwätzt. Wenn der Jahrhundert-Songwriter sein Hochamt abhält, darf man sich weder allzu viele Worte noch allzu viele Hits erwarten. Egal, denn mit jedem Stück, das die einstige Folk-Legende geschrieben hat, kann er einen One-Man-Song-Contest abhalten und haushoch gewinnen, was seine Fans Samstagabend in der Wiener Stadthalle ehrfürchtig honorierten.
Wer zu spät kommt, den bestraft Bob Dylan. Denn der neurotische Star war auf die Minute genau zum angekündigte Konzertbeginn auf der Bühne gestellt: Um 19.30 Uhr eröffnete er mit "Things Have Changed" den Reigen durch sein endloses Repertoire, wie immer spielte er Stücke, die dem Formatradio bisher unbekannt geblieben waren.
Einen echten Fan kann das nicht aus der Ruhe bringen, immerhin hat der Mann bekannterweise kein schlechtes Stück geschrieben. Wer sich von Dylan ein "Thank You" oder eine Huldigung der gerade zu bespielenden Stadt erwartet hat, ist mit dem Künstler nicht vertraut. Im sparsam ausgeleuchteten Rondo steht er, ein Mysterium mit Hut, und bringt dar, was der Welt an kryptischen Botschaften noch fehlt. Selbst das ohnehin schon rätselhafte "Duquesne Whistle" vom aktuellen Album "Tempest" wird in der kammermusikalischen Darbietung und im Licht, das David Lynch in Auftrag geben hätte können, noch ein wenig rätselhafter.
Alles in allem bietet Dylan eine Lehrstunde in jener Musik, die über dem großen Teich schlicht als Americana gefeiert wird - was bis zum Einsatz einer Pedal Steel Guitar und eines Banjos reicht. Angefeuert ist die Vermarktungsmaschine der New-Folk-Bewegung durch den Film "Inside Llewyn Davis", der die Szene Anfang der Sechziger noch einmal hochleben lässt. Mit Gitarre - ob akustisch oder wie einst skandalös elektrisch - wird man Dylan jedoch nicht erleben. Der Mann mit Hut zückt höchstens einmal die Mundharmonika, viel lieber setzt er sich aber ans Klavier.
Einziger Schwachpunkt der Show ist lediglich der dröhnend-blecherne Sound in der Stadthalle, der vor allem verstörend schöne Songs wie "Simple Twist Of Fate" oder "Soon After Midnight" gnadenlos entstellt. Dem Künstler wird es nicht übel genommen, dennoch sollte sich der mögliche Veranstaltungsort des kommenden Song Contests etwas überlegen, um eine Blamage zu vermeiden.
Diese Kategorie der musikalischen Unterhaltung ist Dylan aber ohnehin fremd. Genauso wie nach wie vor sein Publikum. Aber wer selbst mit dem Papst kein Wort gewechselt hat, der wird sich sicher nicht in Fan-Plaudereien verlieren. Der Streifzug durch populäre wie eher verdrängte Alben machte sich jedenfalls belohnt. Seine Fans dankten es ihm mit jener Herzlichkeit, die bei ihm selbst nur durch kleine Risse in der sorgsam aufgebauten Künstler-Mauer durchschien. Er wiederum reichte zur Zugabe versöhnlich die Hand mit zwei grandios neu interpretierten Versionen von "All Along The Watchtower" und "Blowin' In The Wind". So klingt Liebe.