Mit schwerem Gepäck auf dem Rücken, zu Fuß, mit dem Boot oder dem Helikopter sind die Forscherinnen und Forscher tagelang unterwegs. Jederzeit bereit, die Pläne zu ändern, wenn das Wetter umschlägt. Sicherheitshalber ein Gewehr dabei – zum Schutz vor den Eisbären. Ihre Mission: die Gletscher, das Eis und den Schnee Grönlands zu vermessen, um den Klimawandel und seine Auswirkungen besser verstehen zu können.

Die "riesengroße Insel mit einer Ausdehnung von über 2000 Kilometern" ist Jakob AbermannsSpezialgebiet. Der Glaziologe vom Institut für Geografie und Raumforschung der Universität Graz hat fünf Jahre lang auf Grönland gelebt. Regelmäßig reist er nun hin und treibt seine Forschung voran. "Fast alles ist mit einem riesigen Eispanzer bedeckt, der ist bis zu dreieinhalb Kilometer dick", erklärt Abermann. In seinem Fokus liegt das äußere Band rund um den Eispanzer der Insel. Es umfasst rund 20.000 Gletscher. "Die sind besonders sensitiv gegenüber dem Klimawandel. Der jetzige Temperaturanstieg greift sie schon stark an."

Jakob Abermann auf einer seiner Expeditionen
Jakob Abermann auf einer seiner Expeditionen © Rasmussen

Aufwendige Expeditionen

Abermann forscht im Feld. Er führt vor Ort verschiedene Arten von Messungen rund um die Kryosphäre durch. Kryosphäre, das ist der Begriff für all das Eis und den Schnee im Klimasystem. Mit automatischen Stationen, aber auch mit Drohnen arbeitet der Experte. "Was passiert mit der Schneedecke und was mit den Gletschern? Wie dick ist das Eis? Wie schnell schmilzt es und was passiert infolge mit dem Wasserkreislauf?", zählt er Fragen auf, die für ihn eine Rolle spielen. Die Expeditionen sind aufwendig und komplex. Die Gegenden sind schwer zu erreichen, plötzlich aufziehende Stürme verzögern die Touren oft, das Forscherteam muss dann in Zelten ausharren.

Vier olympische Schwimmbecken an Eis schmelzen pro Sekunde

Ganz einfach gesagt, will Abermann herausfinden, wie sich das Klima auf die Gletscher auswirkt und umgekehrt, wie sich die Gletscher auf das Klima auswirken. "Wir wissen, dass Schnee und Eis wichtige Komponenten im Klimasystem sind." Der Klimawandel – herbeigeführt durch die von Menschen verursachten Treibhausgase – lässt die Gletscher schmelzen.

"Gerade in Grönland ist es eklatant, wie die Eisverluste zugenommen haben. Jede Sekunde fließt Wasser im Ausmaß von rund vier olympische Schwimmbecken in den Ozean." Rein hypothetisch gesehen: Schmilzt das gesamte Eis, das auf Grönland gebunden ist, dann steigt der Meeresspiegel um 7,5 Meter an. Das kann dann nicht nur für die Menschen, die an den Küsten leben, gefährlich werden, sondern auch den Salzgehalt der Meere verändern. Wie schnell der Meeresspiegel ansteigt, ist eine der brennendsten Fragen.

Zeltlager in Nordwestgrönland bei den Red Rock Ice Cliffs
Zeltlager in Nordwestgrönland bei den Red Rock Ice Cliffs © Abermann

"Was in der Arktis passiert, bleibt nicht in der Arktis"

Außerdem ermöglichen Abermann und seine Kollegen durch die Daten, die sie sammeln, genauere Hochrechnungen. So können Modelle ermitteln, wie der Klimawandel die Eismassen in der Arktis beeinflusst. Und die sind noch um einiges größer als jene auf Grönland. Jetzt schon klar ist: "Was in der Arktis passiert, bleibt nicht in der Arktis. Unser Klima ist dermaßen verbunden, dass das, was in der Arktis geschieht, die mittleren Breiten beeinflusst und umgekehrt." Die Arktis erwärmt sich wesentlich stärker als der Rest des Planeten, der Temperaturunterschied zwischen Arktis und Mitteleuropa wird also geringer, was in weiterer Folge zu extremeren Wetterereignissen führen kann – auch in Österreich.

Zurück nach Grönland: Dort will die Uni Graz in Kooperation mit der Uni Kopenhagen nächstes Jahr eine Forschungsstation aufbauen. Als Basis für weitere Expeditionen und Messungen.