Jennifer Sichau spricht mit fester Stimme, ist selbstbewusst für eine 20-Jährige im dritten Lehrjahr. „Ich habe es noch keinen Tag bereut“, sagt sie über ihre Berufswahl – es ist auch eine Botschaft an ehemalige Lehrer ihrer AHS. Ein Jahr vor ihrer Matura im Juni 2018 reifte in der Leobnerin der Entschluss, kein Studium aufzunehmen, sondern sich nach der Reifeprüfung zur Facharbeiterin ausbilden zu lassen. Eine „Verschwendung von Talent“, klagte der Klassenvorstand.

„Ich möchte mit den Händen arbeiten, in der Produktion etwas Sinnvolles tun“, sagt Sichau. Bestärkt wurde sie von ihrer Mutter und ihrer Großmutter, und sie mussten es wissen. Die Oma war die erste geprüfte Kranführerin in der Steiermark, ihre Mutter ließ sich mit 36 Jahren zur Zerspanerin umschulen und arbeitet bei Voestalpine Tubulars in Kindberg. Nicht alltägliche Wege. Jennifer Sichau wählte als Einzige ihrer Maturaklasse einen technischen Lehrberuf. Da auch ihr älterer Bruder als Maschinenbauer bei der Voestalpine arbeitet, war der Konzern erste Anlaufstelle bei der Lehrstellensuche. Die Wahl fiel auf Metall- und Schweißtechnik.

Jennifer Sichau
Jennifer Sichau © (c) ARMIN RUSSOLD FOTO FREISINGER

„Schweißen ist nichts Banales“, sagt Sichau bestimmt. „Man muss sich intensiv mit dem Metall auseinandersetzen, mit der chemischen Zusammensetzung, um die optimale Schweißverbindung herstellen zu können.“ Vom Beginn ihrer Ausbildung an sei sie in die Praxis eingebunden gewesen. Wo Bedarf besteht am Werksgelände in Leoben, ist Sichau im Einsatz. Sie repariert Maschinenteile oder fertigt neue Verschleißteile an.

Jennifer Sichau
Jennifer Sichau © (c) ARMIN RUSSOLD FOTO FREISINGER

„Das Handwerk lernt man am besten, wenn Unvorhergesehenes passiert und man dafür eine Lösung suchen muss.“ Als Vorteil der Lehre im Voestalpine-Konzern preist die Steirerin die „grenzenlosen Möglichkeiten“ der Spezialisierung bzw. Weiterbildung an. So steht für Sichau das Ziel nach dem Lehrabschluss fest – die Meisterschule.

"Jeder Buchstabe ist ein Unikat"

Ortswechsel in den Süden von Graz, in die Gradnerstraße 146. Ein Bürohaus, eine Werkstatt, eine Produktion – eine unscheinbare Adresse alles in allem. Und doch kommt internationales Flair auf, wenn Firmenchef Alexander Obad durch eine Galerie von Hochglanzbildern führt. Sie zeigen Schilder und Schriften, die Tophotels in Graz bestellten. Das Emirates Palace Abu Dhabi sticht gleich mehrfach hervor. Das Fünf-Sterne-Haus, eines der exklusivsten Hotels der Welt, ließ sich von Obad Wegweiser, Hotelsiegel und -logo, einmal sogar 80.000 Schriftzeichen anfertigen, vergoldet, versteht sich.

Markus Heidinger (23) ist Metalldesigner und Graveur
Markus Heidinger (23) ist Metalldesigner und Graveur © (c) Juergen Fuchs (FUCHS Juergen)

„Das sind Einzelanfertigungen, jeder Buchstabe ist ein Unikat“, sagt Markus Heidinger. Der gebürtige Feldkirchner kam 2012 in den Traditionsbetrieb. Davor war der Absolvent des Polytechnikums in der Zeitschrift „Happy Metal“ auf ein Stelleninserat von Obad gestoßen, es war der Anstoß für die Ausbildung zum Metalldesigner und Graveur, die er 2015 abschloß. „Es ist ein seltener Beruf, pro Jahr gibt es weniger als zehn neue Lehrlinge in Österreich.“ Trotz Automatisierung ist noch viel mit der Hand zu tun. Fräsen, schleifen, bohren, zuschneiden, lackieren und gravieren ... Das Material variiert von verschiedenen Metallen bis zu Kunststoffen, die Werkstücke reichen von wenigen Zentimetern bis zu mehreren Metern Größe. Oft sind es Schilder mit exotischen Schriften für entfernte Länder, aber nicht nur, wie Geschäftsführer Obad betont. „Wir sind auch ein Nahversorger für die regionale Wirtschaft.“

© (c) Juergen Fuchs (FUCHS Juergen)