Seit 1951 gibt es Gedenkveranstaltungen für die Opfer der Ustascha-Miliz des faschistischen „Unabhängigen Staates Kroatien“ in Kärnten. Die Kroaten-Treffen rücken aber erst seit Kurzem ins Zentrum des öffentlichen Interesses. Was hat sich inzwischen verändert?
DANIEL WUTTI: Über die letzten Jahre hat sich eine kritische Öffentlichkeit in Kärnten entwickelt, die sich verstärkt mit Geschichtsbildern auseinandersetzt. Wer sich stärker mit der eigenen Vergangenheit beschäftigt, wird auch sensibler für die Gedächtniskultur anderer Gruppen. Es gibt heute spürbar mehr Erinnerungsvereine, auch das politische Klima im Land hat sich geändert. All das sind Gründe, die erklären, warum das Treffen am Loibacher Feld letztes Wochenende so genau beobachtet wurde.

Sie haben sich in Ihrer Dissertation mit dem Titel „Identität, Trauma, Gedächtnis“, die eben in Slowenien ausgezeichnet wurde, mit den verschiedenen Zugängen zu Geschichte befasst. Ab Herbst leiten Sie eine PH-Fortbildungsserie zu dem Thema. Wozu brauchen Lehrer das?
Gedächtnis- und Erinnerungskultur betrifft viele Bereiche des Unterrichts. Wenn es um Menschenrechte geht, um politische Bildung oder um Fragen der Vielfalt in einer Gesellschaft, dann ist es wichtig zu wissen, wie Erinnerung oft auf Kosten von Minderheiten politisch instrumentalisiert wird.

Wie sehen die Fortbildungen für die Lehrer konkret aus?
Im ersten Jahr unternehmen wir mit den Teilnehmern Stadtspaziergänge in Klagenfurt und Hermagor, wo wir ehemalige Schauplätze der NS-Vergangenheit besuchen. Ein Fokus liegt dabei auf den Stolpersteinen in Klagenfurt, die an die vertriebene jüdische Bevölkerung erinnern. Es gibt aber auch theoretische Einheiten zu Gedächtniskultur, sowohl in Slowenisch als auch in Deutsch.

Identität, Trauma, Gedächtnis – das ist der Titel der Doktorarbeit, die im Sammelband „Erinnerungsgemeinschaften in Kärnten/Koroška“ veröffentlicht wurde. Wutti (rechts), derzeit Professor an der PH Kärnten, erhielt dafür einen slowenischen Staatspreis für Forschungsarbeiten
Identität, Trauma, Gedächtnis – das ist der Titel der Doktorarbeit, die im Sammelband „Erinnerungsgemeinschaften in Kärnten/Koroška“ veröffentlicht wurde. Wutti (rechts), derzeit Professor an der PH Kärnten, erhielt dafür einen slowenischen Staatspreis für Forschungsarbeiten © KK

Wie soll sich die Beschäftigung mit diesem Thema im Unterricht widerspiegeln?
Anhand von Beispielen aus der Vergangenheit lassen sich aktuelle Entwicklungen hervorragend thematisieren. Lehrer können mit ihren Schülern gemeinsam Parallelen erarbeiten und im Sinne eines „nie wieder“ nachvollziehen, wie schnell eine Gruppe von Menschen verführt werden kann. Im Sinne einer Demokratisierung und Heranbildung einer Generation kritisch denkender junger Menschen hat dieser Zugang ganz großes Potenzial.

Wann startet das Angebot?
Wir möchten im kommenden Studienjahr, also ab Herbst beginnen. Eingeladen sind Lehrerinnen und Lehrer aller Schulformen- und Stufen. Die PH Kärnten will damit einen stärkeren Fokus auf Erinnerungskulturen legen – rechtzeitig zum Jubiläum der Kärntner Volksabstimmung im Jahr 2020.