Warum wollten Sie Rektorin werden, Frau Bruner?
INGELA BRUNER: Aus der Position eines Rektors oder einer Rektorin heraus kann man viel bewegen. Diese Position gibt mir die Möglichkeit, mich zu äußern, gehört zu werden, zu bildungspolitischen Fragen Stellung zu nehmen, etwas zu bewegen. Der "Job" als Rektorin ist anspruchsvoll, weil er eine große Palette an Anforderungen abdeckt - von einzelnen Sachfragen über strategische und partizipative Führung, bis hin zum Lobbying und zu repräsentativen Aufgaben. Wirklich spannend ist dabei, mich mit der Entwicklung der Boku auseinander setzen zu können, also auf der langfristigen Ebene zielorientiert zu arbeiten, an eine Umsetzung im Jetzt zu denken und das Arbeiten mit den Menschen.

Was halten Sie denn von der "heutigen Jugend"?
BRUNER: Ich bin begeistert von den jungen Leuten! Ich erlebe sie sensibel, aufgeweckt, stark an der gesellschaftspolitischen Entwicklung Anteil nehmend mit einem hohen Ausmaß an Bereitschaft, Verantwortung zu tragen, die über das Sinnieren zur Weltverbesserung im Kaffeehaus hinausgeht.

Betrachten Sie es als Herausforderung mit unterschiedlichen Menschen zu kommunizieren?
BRUNER: Als Hürde, nein. Als Freude, ja, weil ich immer mit unterschiedlichen Menschen interagiert habe, bedingt durch die Internationalität meiner Kindheit - mein Vater war bei der Uno. Die eigentliche Herausforderung ist es, mit der finiten Anzahl der Stunden eines Tages zurechtzukommen. Ich bräuchte drei Parallelleben, um alles umzusetzen, was ich im Sinn habe. Aber das macht so viel Spaß. Und: Ich bin auch eine, die gern verhandelt.

Wie wichtig ist beim Verhandeln und Kommunizieren das Zuhören?
BRUNER: Das Zuhören ist das Allerwichtigste. Ich glaube, dass es darüber hinaus auf einen hohen Grad an Intuition ankommt, um Gesagtes und das vielleicht nicht Gesagte wahrzunehmen. Wichtig ist es für mich in jedem Fall, die Fähigkeit zu behalten, meine eigene Meinung zu bilden. Ich will nie Gefahr laufen, zu denken und handeln wie der Mainstream.

Kurz nachgehakt: Wie wichtig ist es, dass man sich bei seinen Entscheidungen auf sein Bauchgefühl verlässt?
BRUNER: Ich halte Intuition für sehr wichtig, bin aber davon überzeugt, dass sie nur dann einsetzbar ist, wenn sie von Seiten der Ausbildung und Erfahrung auf einer soliden Basis steht. Wider die eigene Intuition zu handeln, halte ich nicht für klug.

Glauben Sie, dass Frauen in Zukunft vermehrt die Chance bekommen werden, von der zweiten Reihe in die Führungsebene vorzurücken?
BRUNER: Es ist mein großer Wunsch, dass Frauen in allen Positionen gleichsam anzutreffen sind. Ich habe gelernt, den Selbstdialog zu führen und mir selbst zuzugestehen: Ja, ich habe ein Ziel. Das war nicht immer einfach. Ich kann mich sehr gut an den Augenblick erinnern, als ich mir zugestanden habe: Ja, ich will Rektorin werden. Das war 1996. Aus diesem Augenblick heraus habe ich Kraft und Geduld geholt.

Müssen Frauen in Österreich die Ellbogen einsetzen, um etwas erreichen zu können?
BRUNER: Ellbogentechnik ist mir persönlich fremd. Ich habe mehr von den Sätzen einzelner Personen gelernt, die mich über die Jahre geprägt haben. Einer davon war, ich möge Kritik nie persönlich nehmen. Ich profitiere auch von meinem Großvater, der uns gelehrt hat, zu wissen, wofür man steht. Und ich möchte Folgendes weitergeben: Verzweifeln Sie nicht, wenn Sie in ein Loch fallen! Sie lernen am meisten daraus, wenn Sie heraus krabbeln und denken: O.k., daraus kann ich jetzt lernen.