Steil und kurvenreich schraubt sich die Straße von Lavamünd aus hinauf auf die Soboth. Beim Kirchlein St. Vinzenz, einst christlicher Mittelpunkt eines durch die Glaskunst bekannt und wirtschaftlich erfolgreich gewordenen Bergdorfes, biegt man am Stausee nach links ab. Von dort führen, vorbei an der ehemaligen Volksschule, bergwärts nur mehr ein paar Schotterstraßen zu einem abfallenden Wiesenpfad. Hundert Meter zu Fuß und man steht vor einem Gottesacker, der an Lage und Anblick seinesgleichen im ganzen Tal sucht.
Saftig grün umspannen die Nadelbäume, an denen jetzt bei Temperaturen um den Gefrierpunkt der erste Schnee des heurigen Winters klebt, den Friedhof. Ein hölzerner Zaun. Dem schmalen Eingang gegenüber wacht Jesus auf dem Kreuz – zu seiner Linken und seiner Rechten Vasen mit Plastikblumen als bunter Schmuck – über die Menschen, die hier ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.
2005 fand hier das letzte Begräbnis statt, nachdem der Ort spätestens seit dem Beginn der 1990-er Jahre entvölkert ist. Einige ehemalige Bewohner haben im Testament verfügt, dass sie hier begraben werden wollen“, sagt Bashker Reddimasu, Pfarrprovisor von Lavamünd, der die kirchliche Betreuung innehat. Ansonsten wird der Friedhof, der sich im Privatbesitz befindet, von der Prinz Croy’schen Forstverwaltung mit Sitz in St. Oswald ob Eibiswald auf der steirischen Seite, verwaltet. „Ja, natürlich können Sie Fotos machen“, genehmigt Carl von Croy, Nachfahre eines alten französischen Hochadels, unprätentiös.
30 Gräber, manche mit schmiedeeisernen Kreuzen, die von hoher Handwerkskunst zeugen. Auf einigen Grabsteinen kann man mit Mühe noch die Jahreszahlen entziffern. Gestorben 1881, gestorben 1884. Ein namenloses Holzkreuz mit der Figur des Gottessohnes. Schwarzbeerstauden wuchern im Moos auf dem schmalen Hügel. Der Name Pansi ist auf mehreren Steinen vertreten. Dazu die alten Fotos, vergilbt, verwischt lassen sie in die Gesichter der Lebenden blicken. Ein steinerner Christuskopf thront über der Erinnerung an „unsere lieben Eltern: Josef und Juliane Pansi, 1876 - 1952, 1880 - 1951“ – ein langes Eheleben miteinander verbunden, im Tod bald wieder vereint.
Auf vielen Gräbern wachsen Blumen. Ein paar Pelargonien erinnern an den Sommer. Roter Erika, bereits Bote des Herbstes. Gestecke zum Allerheiligentag. Hier und da brennen Kerzen. Man spürt die Bedeutung des Friedhofes im Fühlen und Denken der Hinterbliebenen. Am Sonntag um 10.45 Uhr wird Pfarrer Reddimasu die Gräbersegnung vornehmen. „50, 60 Leute kommen jedes Jahr“, sagt er.
Vor dem alles überragenden Christus bauscht sich ein Rosenstrauch im Nebel, der am Abend einfällt. Ein verwunschener Ort, ein bisschen verlassen, aber niemals vergessen.