Mehrere Sekunden lang bebte am Dienstag um 12.19 Uhr in weiten Teilen Österreichs die Erde. Das Beben der Stärke 6.4 auf der Richterskala ist am Dienstag in Kroatien knapp 50 Kilometer südlich von Zagreb registriert worden. Das Zentrum des Bebens lag in einer Tiefe von zehn Kilometern. Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) registrierte den Erdstoß der Magnitude 6.4 im Raum Petrinja. Hunderte Einsatzkräfte und das Militär sind im Einsatz. Mit Spürhunden wird verzweifelt versucht, Verschüttete zu finden. Aus den weniger betroffenen Regionen Kroatiens wurden Rettungsteams in Richtung Petrinja, Sisak und Zagreb entsandt. Die Suchaktionen liefen während der Nacht weiter.

In der 25.000-Einwohner-Stadt Petrinja, die etwa drei Kilometer vom Zentrum des Bebens und knapp 50 Kilometer südlich der Hauptstadt Zagreb liegt, sind mehrere Häuser eingestürzt. Laut Medienberichten soll es darin Verschüttete geben. Ein 12-jähriges Mädchen ist seinen Verletzungen erlegen. Im Dorf Majske Poljane bei Glina starben bei einem Hauseinsturz ein Vater und sein Sohn. In dem schwer betroffenen Ort gibt es noch drei weitere Todesopfer. Das bestätige Verteidigungsminister Tomo Medved am frühen Abend. Ein weiteres, siebentes Todesopfer gab es laut Medien in einer eingestürzten Kirche nahe der Stadt Sisak. In den betroffenen Gebieten werde Zelte und Container aufgestellt sowie Turnhallen gerüstet für all jene, die heute Nacht nicht zurück in ihre Häuser und Wohnungen können. 

Der Regionalsender N1 berichtete, dass Schreie aus den Trümmern zu hören seien. Laut Darinko Dumbović (Bürgermeister von Petrinja), sind zwei Kindergärten durch das Erdbeben zerstört worden. Der Premierminister und der Präsident sind in Petrinja eingetroffen. Die Polizei hat die Bewohner aufgefordert, die Gebäude zu verlassen. Alle verfügbaren Rettungsdienste wurden für Petrinja mobilisiert. Ein HRT-Reporter appelliert: "Zagreb und Sisak benötigen dringend Hilfe!" 

Das Erdbeben überraschte die Einwohner der Region, die noch dabei waren, das Beben vom Vortag zu verdauen. Im schwer betroffenen Petrinja wurde gerade eine Pressekonferenz zu den Geschehnissen vom Montag gegeben, als die Erde erneut zu beben begann. Am Dienstag um 20.30 wurde die Region von einem Nachbeben der Stärke 3,8 erschüttert.

In Österreich spürbar

Das Erdbeben war auch außerhalb der kroatischen Landesgrenzen deutlich spürbar. In Kärnten und der Steiermark der Erdstoß wahrgenommen wurde. In Graz etwa wackelten rund zwei Minuten nicht nur hohe Gebäude, auch in massiven Altbauten mit nur einem Geschoß waren die wellenartigen Bewegungen zu spüren. Christbaumkugeln und Glasschiebetüren wackelten, Fenster und Möbel knarrten. Das Beben war wesentlich deutlicher wahrnehmbar als noch jenes im Frühjahr in der Nähe von Zagreb. Außerdem hielten die Erdstöße länger an. Sogar in Wien gab es Berichte, dass die Wände wackelten.

Dramatische Szenen in Kroatien

In der 50.000-Einwohner-Stadt Sisak wurden im Minutentakt Verletzte und Schwerletzte ins Krankenhaus eingeliefert. Ein Baby im Inkubator wurde nach Zagreb transportiert, da die Kapazitäten im Krankenhaus ausgeschöpft sind. Alle Covid-Patienten werden, unter anderem mit dem Militärhubschrauber, ebenfalls nach Zagreb gebracht.

Das Zentrum des Bebens lag rund 45 Kilometer südwestlich von Zagreb, in der Nähe von Petrinja. Dort war bereits das Zentrum des Bebens vom gestrigen Montag, das eine Stärke von 5,2 hatte.

Schäden in Zagreb

Laut dem kroatischen Fernsehen (HRT1) hat auch in Zagreb die Erde 20 Sekunden lang gewackelt. Die Polizei appelliert an alle, die Häuser sofort zu verlassen. Vor dem Theater in Zagreb stehen die Leute wieder draußen: "Der Schock, die Angst nach dem Beben im März sitzt bei allen tief."

Das Erdbeben hat zu einem heftigen Verkehrschaos in der kroatischen Hauptstadt geführt. Es kam zu etlichen Staus, da sich die Menschen auf den Weg aus der Stadt gemacht haben. Der öffentliche Verkehr stand zeitweise still, es gab Probleme im Strom- und Telekomnetz. Auch Gebäude der kroatischen Regierung wurden beschädigt, die Armee hilft bei den Aufräumarbeiten.

Der Kirchturm der Kirche "Crkva svete Marije" auf dem bekannten Dolac-Marktplatz ist beschädigt und könnte laut den Einsatzkräften runterfallen. Weil der Kontrollturm bei dem Erdbeben beschädigt wurde, musste der Flughafen zwischenzeitlich gesperrt werden. Flüge wurden umgeleitet oder abgesagt.

Atomkraftwerk Krsko abgeschaltet

Laut der Landeswarnzentrale liegen keine Berichte über Schäden am Kraftwerk Krsko vor. Das slowenische Atomkraftwerk ist offenbar auf die Stärke von 8-8,5 ausgelegt. Kollege Simon Rothschedl hatte telefonischen Kontakt mit den Betreibern. Das Kraftwerk habe sich wie nach jedem Beben ausgeschaltet und befindet sich in einem "Safe Shutdown".

Große Hilfsbereitschaft

Hunderte Kroaten bieten über soziale Netzwerke den Erbebenopfern Unterstützung - von Unterkunft über Lebensmittel bis hin zu Kleidungsstücken - an. Freiwillige werden aufgerufen, sich bei den Aufräumarbeiten zu beteiligen.

2020 waren deutlich mehr Erdbeben spürbar

Mit 69 Beben waren in diesem Jahr deutlich mehr Erdbeben in Österreich spürbar als normalerweise. Davon waren 60 "heimische" sowie fünf Erdstöße aus den Nachbarländern Italien, Slowenien und der Schweiz sowie vier aus Kroatien, die hierzulande wahrnehmbar waren. Insgesamt wurden 2020 laut der am Dienstag veröffentlichten ZAMG-Bilanz 1465 Erdbeben in Österreich lokalisiert.

69 spürbare Beben sind deutlich mehr als im Durchschnitt. "In den letzten zehn Jahren gab es durchschnittlich 57 spürbare Beben pro Jahr in Österreich. In den letzten 20 Jahren waren es durchschnittlich 48", erläuterte Seismologin Rita Meurers von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik. Ein Trend zu mehr Erdbeben sei aber nicht zu beobachten. Die Zahl schwankt von Jahr zu Jahr stark. "Zum Beispiel brachten die Jahre 2018 und 2019 relativ wenige spürbare Beben."

Neuer Rekord

Die am stärksten spürbaren Ereignisse des Jahres waren jenes am 22. März bei Zagreb (Kroatien) und das Beben am 8. August bei Zams (Tirol). Sie wurden von tausenden Menschen zum Teil kräftig wahrgenommen. Gemeldet wurden jedoch nur leichte Gebäudeschäden wie etwa Verputzrisse.

Die Zahl aller instrumentell registrierten Erdbeben in Österreich erreichte im Jahr 2020 mit 1465 einen neuen Rekord. "Der Grund dafür ist neben der heuer etwas höheren Bebentätigkeit auch die ständige Erweiterung und Verdichtung des Erdbebenmessnetzes in Österreich und verstärkte internationale Kooperation, wodurch mehr der sehr schwachen und nicht spürbaren Beben registriert werden", sagte ZAMG-Seismologin Meurers.

Wie schon oft in der Vergangenheit gab es auch heuer die meisten gefühlten Beben in Tirol, wo sich 27 ereigneten - das ist beinahe die Hälfte aller inländischen Beben. Mit zehn fühlbaren Erdstößen liegt Kärnten an zweiter Stelle und somit deutlich über dem Durchschnitt der vergangenen Jahre. In der Steiermark wurden sieben wahrgenommen. Niederösterreich liegt mit nur fünf verspürten Beben unter dem Mittel der letzten Jahre. Ebenfalls fünf gab es in Vorarlberg. Es folgen Oberösterreich mit vier und Salzburg mit zwei fühlbaren Erdbeben.