Was halten Sie davon: Die Welt wäre so schön, wenn es keine Grenzen gäbe. Alle Ausländer, die zu uns wollen, sind herzlich willkommen, weil wohlwollend, gut ausgebildet und eine Bereicherung für unsere Gesellschaft. Sie stützen unser Sozialsystem, weil wir zu wenig Kinder kriegen, und bringen Buntheit in unser müdes Land. Die Österreicher hingegen sind engstirnig, fremdenfeindlich und unfähig zu begreifen, wie toll eine multikulturelle Welt ist.

Oder wie wäre es damit: Alle Ausländer sind Verbrecher, Terroristen und Vergewaltiger. Arbeiten will von denen keiner. Sie leben auf unsere Kosten, sind nicht bereit sich zu integrieren und eine Gefahr für unsere Kultur. Sie sollen gefälligst dorthin verschwinden, wo sie herkommen, und am besten sollte keiner von denen unsere Grenzen überschreiten können.

Es gehört zu den Merkwürdigkeiten unserer Zeit, dass sich sehr oft extreme Positionen und Pauschalurteile wie diese unversöhnlich gegenüberstehen. Das, was man eine vernünftige Mitte, eine differenzierte Sicht oder Hausverstand nennen könnte, geht dabei verloren. Wenn man der Ansicht ist, dass es durchaus eine größere Zahl von Integrations-Unwilligen gibt und die Bildung von Parallelgesellschaften nicht gut ist, wenn man darauf hinweist, dass ein Zusammenpferchen von jungen Männern mit teils massiven Gewalterfahrungen und teils peripherer Bildung Probleme verursachen kann, auf die wir Antworten finden sollten, dann ist das für die Vertreter der unumschränkten Willkommenskultur bereits Rassismus.

Daher werden augenscheinliche Probleme lieber gar nicht thematisiert, aus Angst, man könnte selbst als Ausländerfeind dastehen oder zumindest den Ausländerfeinden willkommene Argumente liefern. Dieses Totschweigen und Unter-den-Teppich-Kehren wiederum festigt den Status Quo.

Es ist ein Skandal, wenn im rot-grünen Wien eine Schuldirektorin suspendiert wird, nur weil sie offen über die Probleme ihrer von mehrheitlich nicht Deutsch sprechenden Schülern besuchten Schule spricht. Getreu dem Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Durch eine derartige Politik fühlen sich viele Menschen nicht ernst genommen und treiben den Populisten zu, weil sie von den Regierenden - leider oft zu Recht - keine Lösungskompetenz oder nicht einmal den Willen zum Zuhören erwarten können.

Wenn man umgekehrt meint, dass sich Menschen nicht ohne dringenden Grund einer lebensgefährlichen Flucht aussetzen, dass Menschenrechte und Flüchtlingskonvention Gültigkeit haben, dass arbeitswillige Ausländer von unserer Bürokratie von Beschäftigung ferngehalten werden und dass unser Land tatsächlich von Zuwanderung profitieren kann, ist man in den Augen der Hardliner und Nationalisten ein weltfremder Träumer oder, ganz schlimm, ein Gutmensch.

Diejenigen, die sich gerne als Retter des christlichen Abendlandes aufspielen, haben das, was alle Religionen der Welt erstrebenswert finden, nämlich ein guter Mensch zu sein, zu einem Schimpfwort umgewandelt. Der Mensch als soziales Wesen, der natürliches Mitgefühl empfindet und Hilfe leistet im Wissen, dass auch er einmal Hilfe brauchen könnte, wird als naiv denunziert.

Was macht das mit uns? Wenn man den „guten Menschen“ lange genug abwertet, ist es dann irgendwann wirklich cool, ein böser Mensch zu sein? Gibt es eine selektive Menschlichkeit, à la „Liebe deinen Nächsten, aber gib deinem Übernächsten einen Tritt“? Kann man gegenüber, sagen wir, somalischen Menschen kalt und abweisend und gegenüber österreichischen warmherzig und mitfühlend sein? Ich bezweifle das.

Menschlichkeit kann nicht von Staats-, Religions- oder sonstiger Zugehörigkeit abhängen. Und viele von denen, die stolz betonen, nichts für Ausländer zu spenden, spenden auch nichts für Inländer. Auf der persönlichen Ebene ist mir ein Mensch mehr oder weniger sympathisch, egal wo er herkommt. Auf gesellschaftlicher Ebene gelten Recht und Menschenrecht.

Was wir brauchen ist eine offene Diskussion, ein Aufeinander-Zugehen, ein Zuhören anstelle des Beharrens auf Extrempositionen. Getreu der Binsenweisheit, dass es überall Solche und Solche gibt.