Der schönste Satz fällt am Ende des Gesprächs: „Die Leute sollen uns nicht immer so mitleidig ansehen. Denn wir sind nicht immer nur traurig und verzweifelt. Wir sind auch oft glücklich.“

Wir: Das ist ein Ehepaar mit zwei Kindern. Ihr Sohn Lukas* ist zwölf Jahre alt und hat einen Gendefekt. „Seine Krankheit ist nicht aufzuhalten“, wissen seine Eltern.

In den letzten Jahren wurden Lukas’ motorische Fähigkeiten immer schlechter. Seine Beweglichkeit in den Beinen und in den Armen, am ganzen Körper baute stetig ab. Das bringt seine Krankheit mit sich. Mittlerweile braucht Lukas einen Rollstuhl. Lächelnd sitzt er in der Küche und hört zu, was die Erwachsenen reden. Dann sagt er: „Vielleicht kann ich ja irgendwann doch wieder gehen.“ „Das wäre sein größter Wunsch“, fügt seine Mutter hinzu.

Die Mutter spürte es

Früher, als Kleinkind, konnte Lukas noch selbstständig gehen. „Doch seine Bewegungsabläufe kamen mir stets etwas verzögert vor“, schildert seine Mutter. Die Kinderärztin sagte immer nur: „Er ist ein Spätzünder und braucht halt etwas länger für seine motorische Entwicklung.“

Als Lukas ein Jahr alt war, suchte seine Mutter eine Neurologin auf. Die meinte: „Was wollen Sie hier? Wir haben ganz andere Fälle. Mit Ihrem Kind passt alles.“ Lukas wurde zwei Jahre alt und seine Mutter wurde zunehmend besorgter, wenn sie sah, wie er sich bewegte. Die Eltern bestanden schließlich auf ein MRT. „Plötzlich sagten uns die Ärzte, unser Kind sei schwer krank und wird das Vorschulalter nicht erleben.“
Bei der Erinnerung daran verschlägt es den Eltern noch heute die Sprache.

Ungewissheit

Was die Einschätzung der Lebenserwartung betrifft, haben sich die Ärzte geirrt. Denn Lukas ist mittlerweile zwölf Jahre und besucht die Neue Mittelschule. „Man weiß nie, wann seine Krankheit wieder schlechter wird“, sagen die Eltern des Buben. Es kann jederzeit so weit sein. Aber wenn Lukas seinen  Eltern eines gelehrt hat, dann ist es Mut und Freude am Leben: „Unser Sohn liebt Bücher, er unternimmt gerne Ausflüge und er ist immer so tapfer und zuversichtlich.“ Der Bub hatte schon viele große Operationen und lange Spitalsaufenthalte fern von daheim. „Selbst in diesen Phasen, zwischen den Schmerzen und dem Erbrechen nach den Narkosen, gibt er nie auf. „Sobald es ihm besser geht, ist er so dankbar“, beschreiben die Eltern.

Hospizkarenz

Lukas sitzt noch immer in der Küche und hört den Besuchern zu. Langsam wird er unruhig. Er möchte endlich in die Schule, die heute etwas später beginnt. „Ich bin so gerne in der Schule“, erzählt er. Manchmal ist er zu schwach, um den Unterricht zu besuchen. Umso mehr freut sich der Bub, wenn er wieder fit genug ist. „Vielleicht arbeite ich später in einer Bücherei“, erklärt er. Das also meinen seine Eltern mit Lebensmut. Wer Lukas zuhört und sein sonniges Wesen erlebt, der würde nie auf die Idee kommen, dass dieses Kind unheilbar krank ist. „Wir hoffen auf bessere Zeiten und bleiben trotz allem positiv, weil Lukas es auch ist. Durch ihn haben wir gelernt, jeden Tag als einzigartig zu sehen und so zu leben, wie es eben gerade ist. Die gemeinsame Zeit ist das Wichtigste“, sagen die Eltern. Zuletzt waren sie abwechselnd in Hospizkarenz, damit sie sich um ihren Sohn kümmern können. Einmal pro Woche kommt eine Pflegerin der Mobilen Kinderbetreuung. Lukas braucht bei allem Hilfe, 24 Stunden am Tag: beim Trinken, beim Anziehen, beim Waschen. Er kann keine Nacht durchschlafen. Die Familie hat gelernt, damit umzugehen. „Wir halten fest zusammen. Das macht uns stark.“

Umbau im Haus

Fremde Hilfe anzunehmen, falle ihnen nicht leicht, sagen die Eltern. Doch es wird immer schwieriger, alles selbst zu stemmen – auch finanziell: Das Bad muss behindertengerecht umgebaut werden, ein neuer Autositz muss gekauft werden und für den Hauseingang braucht es eine Rampe. Obwohl Lukas’ Vater ein guter Handwerker ist und vieles selbst macht, sind die Adaptierungen teuer. Öffentlich gefördert wird wenig. „Finanziell haben wir an vielen Fronten zu kämpfen“, meint die Mutter. Doch wie sagt Lukas immer? „Es wird alles gut, Mama und Papa.“

*Name von der Redaktion geändert