Noch bis Juni 2016 ist eines der fragwürdigsten Abkommen der EU in Kraft und um dessen Verlängerung ist ein Streit entbrannt: Der Deal der Kommission mit dem US-Tabakgiganten Philip Morris. Es geht um Schmuggel, Schwarzmarkt, Milliardenzahlungen und Steuerbetrug.

Bis zur Unterzeichnung des Vertrags im Jahr 2004 blühte in der EU der illegale Handel mit Markenzigaretten. Behörden vermuteten seit Jahren, dass die großen Tabakkonzerne den Schwarzmarkt bewusst belieferten. Nachgewiesen konnte das nicht werden. Doch ein Prozess in den USA brachte die Tabakhersteller an den Verhandlungstisch.

Milliardenzahlungen an Kommission

Die Konzerne verpflichteten sich, die EU-Kommission mit Daten zu den Zigarettenverkäufen in den einzelnen Ländern zu versorgen. Außerdem fließen jährlich mehrere Milliarden Euro von den Zigarettenherstellern in die Kassen der Kommission.

2004 unterzeichnete Philip Morris. 2007 Japan Tobacco International (Mutterkonzern der Austria Tabak), 2010 British Amerikan Tobacco und Imperial Tobacco Ltd.

Laut dem Nachrichtenportal Politico verhandelt die EU-Kommission derzeit mit den Konzernen wegen der Verlängerung dieser Verträge. Denn Tatsächlich konnte die Zahl der illegal gehandelten Zigaretten innerhalb von zehn Jahren um 90 Prozent gesenkt werden.

Doch Gesundheitspolitiker und Anti-Tabak-Aktivisten laufen gegen die Verhandlungen Sturm. Sie sehen in dem Vertrag eine Komplizenschaft der EU mit dem Tabakkonzernen. Außerdem widersprechen solche Verträge der Anti-Raucher-Politik der EU. Ein weiteres Argument: Noch immer gehen zehn Milliarden Euro an Steuereinnahmen pro Jahr durch Zigarettenschmuggel verloren.

Die Verhandler hoffen dennoch, bis Ende des Jahres einen neuen Deal mit Philip Morris auf die Beine stellen zu können.

Mehr Transparenz gefordert

Mitten in den Verhandlungen aht sich auch die Bürgerbeauftragte der EU zu Wort gemeldet. Emily O'Reilly kritisiert, dass die Kontakte der EU-Kommission mit der Tabaklobby nicht offengelegt werden. Vor allem die frühere Kommission unter Manuel Barroso sei nicht offen genug mit ihren Kontakten zur Tabaklobby umgegangen.

Künftig müsse das Gremium unter dem Vorsitz des jetzigen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker "alle Treffen mit Tabaklobbyisten oder ihren gesetzlichen Vertretern" online veröffentlichen, forderte sie. O'Reilly gab der Kommission bis Ende des Jahres Zeit zu erklären, wie sie die Forderungen umsetzen will.

2012 war der damalige Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz, John Dalli, von Barroso zum Rücktritt gedrängt worden. Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung hatte ihm vorgeworfen, engen Kontakt zu einem Tabaklobbyisten gehabt zu haben, während auf europäischer Ebene ein neues Anti-Tabak-Gesetz ausgearbeitet wurde. Die Affäre lenkte den Fokus der Öffentlichkeit auf die in Brüssel arbeitenden Lobbyisten und ihre Beziehungen zur Kommission.