In Europa leiden rund 220 Millionen Menschen an neurologischen Erkrankungen. Das entspricht der Einwohnerzahl von Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Die Betroffenen, speziell Epilepsie-Patienten seien oft von Stigmatisierung betroffen, kritisierten Fachleute aus Anlass des "Welttages des Gehirns" am 22. Juli.

Jeder Dritte beim Neurologen

"Jeder dritte Mensch hat einmal im Leben Kontakt mit einem Neurologen. Fünf bis elf Prozent der globalen Krankheitslast sind auf neurologische Erkrankungen zurückzuführen. Das sind besonders der Schlaganfall, Demenz, Morbus Parkinson, aber auch die Epilepsie", sagte Wolfgang Grisold von der Neurologischen Abteilung am Wiener Kaiser-Franz-Josef-Spital und Generalsekretär der Welt-Föderation der Neurologen und der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie.

50 Millionen betroffen

In diesem Jahr steht der "Welttag des Gehirns" im Zeichen der Epilepsie. Davon sind weltweit rund 50 Millionen Menschen betroffen. Jährlich gibt es rund 2,4 Millionen Neudiagnosen. Kinder-Neurologin Martha Feucht von der Wiener Universitätsklinik im AKH: "Jeder zehnte Mensch hat eine niedrige Krampfschwelle 'geerbt'. Jede 20. Person hat einmal oder mehrmals in seinem Leben solche Anfälle. 0,5 Prozent der Menschen haben eine Epilepsie. Man kann in Österreich von bis zu 80.000 an Epilepsie Erkrankten ausgehen."

Zwei Drittel der Betroffenen können medikamentös gut eingestellt und damit krampffrei werden. Kinder und ältere Menschen zeigen häufiger epileptische Anfälle. "Ein Drittel der Patienten sind nicht medikamentös einstellbar", sagte Martha Feucht. Für einen gut definierbaren Anteil von ihnen gibt es die Möglichkeit, per neurochirurgischem Eingriff anfallsfrei zu werden. "Wir operieren pro Jahr 25 bis 30 Kinder ab einem Alter von etwa drei Monaten."

Stigma

Ein großes Problem ist die Stigmatisierung der Betroffenen. "Es wird kaum jemand geben, der sagt 'Ich bin Epileptiker'." Dies betonte der Innsbrucker Neurologe Gerhard Luef. Die Nachteile - womöglich sogar noch der Nachhall des "Verhext-Seins" aus dem Mittelalter - betreffe das Privat- genauso wie das Berufsleben. Patienten hätten noch Angst bei Stellenbewerbungen eine Epilepsie bekannt zu machen.

Kritik an Ausbildung

Bei einer an sich im internationalen Vergleich sehr guten neurologischen Versorgungslandschaft in Österreich gibt es aktuell heftige Kritik an der gerade von Bund und Ärztekammer verabschiedeten neuen Ausbildungsordnung für Allgemeinmediziner. Grisold: "Früher waren zwei Monate Neurologie oder Psychiatrie als Pflichtfach (in der Spitalsausbildung) vorgesehen. Wir sind davon ausgegangen, dass sowohl die Neurologie als auch die Psychiatrie als Pflichtfach in der Dauer von drei Monaten in die Ausbildung zum Allgemeinmediziner kommen."

Neurologie als Wahlfach

Dem war nicht so. Festgelegt wurden verpflichtend drei Monate Psychiatrie, die Neurologie wurde zum Wahlfach herabgestuft. Der Experte: "Dabei haben beispielsweise 20 bis 30 Prozent der Patienten in Notfallambulanzen neurologische Symptome." Mir der demografischen Entwicklung nimmt die Bedeutung neurologischer Erkrankungen, zum Beispiel Schlaganfälle und Demenz, schnell zu.